Wir zogen durch Europa…

Grenzenlos durch Europa, cinquième partie

An einem Donnerstag zu reisen, ist stets von ganz besonderer Freude. Ist es doch die sehr edle Vanillesauce auf den großen Pudding, den uns die Mannschaft seit nunmehr mehreren Jahren schenkt. 

Wer wird da meckern, wenn die Sauce ein zweites Mal über eine Waffel gegossen wird? 

Und irgendwie scheint es in der Nachbetrachtung, die unvollständige Fahrt im November abzuschließen. So standen wir zu unterschiedlichen Zeiten im sich frühlingshaft gebenden Berlin auf den Bahnhöfen und warteten, dass die Bahn das Ihrige tut. Sie enttäuschte nicht. Züge fielen aus, wurden später eingesetzt, großzügig geplante Umstiege wurden enger, bis sie nicht mehr erreicht werden konnten. Aber in die Hauptstadt Europas ist die Zugdichte dann doch etwas größer als nach Kleinkleckersdorf. So kommen wir zwar später als geplant, aber alle noch rechtzeitig in unseren Unterkünften an. Nur noch in Schale werfen. Als Reisekader muss man sich der repräsentativen Aufgabe stets bewusst sein.  

Nach kurzem Fußweg sind wir am Stadion. Dem vom RSC Anderlecht. Unsere Gastgeber waren so freundlich, ein anderes als das in Leuven liegende für die KO-Spiele bei der UEFA anzumelden. Zack, ein Stadionpunkt eingesammelt. 

Dass das Spiel, ob erwartet oder überraschend, muss jeder für sich selbst entscheiden, verloren ging, war im ersten Moment enttäuschend und spätestens nach, dank der belgischen OrdnungshüterInnen, der großen Brüsselbiege zurück am Stadion und den dortigen Kneipen verflogen. Es war ein Europa-Abend wie man ihn sich vielleicht bei der Einführung des Europapokals damals vorgestellt hat. Menschen begegnen sich und haben eine gute Zeit. (Aber vielleicht war es auch schon damals nur monetäres Sinnen)

Rückblickend war es wieder eine Europareise, die ihresgleichen sucht. Obwohl doch schon das Haifa-Abenteuer zwischen zwei Corona-Varianten unübertreffbar schien.

[Der Rückblick folgt nach der Galerie]

Ein Rückblick

Als die UEFA sich so gnädig zeigte, für unsere Begeisterung natürlich viel zu spät, die Ansetzungen der Gruppenphase zu veröffentlichen, sitzen viele von uns im Zug nach Gelsenkirchen. Getreu dem Motto: “Auch ohne Karte durch Europa” wurde das WLAN der Bahn selten zuvor mit mehr Datentransfer traktiert. Flüge nach Porto über die unterschiedlichsten Portale und Hub-Airports, die während des Buchens im Preis stiegen, wurden herausgesucht. Wie kommen wir nach Malmö? Fähre? Gigantische Idee. Da hängen wir uns dran. In welchem Hotel seid ihr? Ok, wir auch. Saint Gilloise? Ach, das ist ja in Brüssel! Fahrkarte und Hotel schnell gekauft, bevor auch da die Preise steigen. Für diese Mühen auf der Hinfahrt beschenkte uns die Mannschaft mit einem halben Dutzend Tore. Wir sagen Dankeschön.

Bei für Union typischem Europapokalwetter standen wir an einem Donnerstagabend im September in unserem Wohnzimmer und nicht im städtischen. Wir sind Teil des Testes von Stehplätzen im europäischen Fußball. Zweite Besonderheit an diesem Tag – Union verliert ein Heimspiel. Natürlich gegen Union.

Trotz des unerwarteten Rückschlags gegen RUSG fliegen wir mit großer Vorfreude nach Porto, um im nahe gelegenen Braga mit großem Mob, fortan als Reisekader bekannt, aufzulaufen. Der Verein zeigte sich von seiner starken sozialen Seite und sponserte zusätzlich 5 (!!!) Fanflieger, so dass wir Bragas Plätze und Kneipen lautstark besetzten

Mit einem kleinen Vorab-Fanmarsch zogen wir ins  eindrucksvolle Estádio Municipal de Braga.

Estádio Municipal de Braga

Nach alpineskem Aufstieg in den Block sahen wir eine eigentlich starke Vorstellung unserer Fußballgötter. Dennoch ging auch dieses Spiel 0:1 verloren.

Aber Unioner feiern bekanntlich überall, so auch in Portugal. Dank arbeitsrechtlicher Divergenzen in Frankreich auch noch länger als einige von uns es geplant hatten.

Das gab Gelegenheit nochmal durch Porto zu schlendern und schwer touristisch am Hafen in den Bars, Superbock zu trinken. Aller tariflichen Widrigkeiten zum Trotz kommen wir alle, mehr oder weniger verspätet, nach Berlin zurück. Schnell zwischendurch noch etwas Bundesliga spielen und schon packen wir wieder die Sachen, um uns auf eine Seereise zu begeben.

Malmö FF klingt schon sehr nach europäischem Fußball. Gut, aus vergangenen Tagen, aber immerhin. Wohl aus diesen fernen Tagen gibt es eine Fanfreundschaft unserer Gastgeber mit unseren Charlottenburger Nachbarn. Deswegen gerüchtete einiges an verstörenden wie verunsichernden Dingen. Von denen sich unterwegs zum Glück wenig bewahrheitet.

Choreo von Malmö FF
Choreo von Malmö FF

Einige in unserem Block haben wenig gute Manieren, was unsere nächste Fahrt beeinflussen wird. Obwohl Union gewinnt, feierten wir im Stillen in der Lobby des Hotels.

Als letztes, auf nach Brüssel, um in Leuven zu spielen. Malmö wirkt nach, wir dürften eigentlich gar nicht da sein, sind es aber trotzdem. Einige kommen auch ins Stadion, viel mehr bevölkern die Kneipen Brüssels. Auch dieses Spiel gewinnen wir 1:0. Dank der zuvor erreichten Heimspielsiege gegen Malmö und Braga steht fest, Union bekommt KO-Spiele. Das feiern wir ausgiebig mit der Mannschaft vor dem Hotel

Wenn man nicht so souverän durch die Gruppenphase fegt, dann wird einem auch nicht ein Besuch und Gegenbesuch der alten Tante aus Turin auferlegt, sondern man bekommt Ajax zum Aufwärmen in den Playoffs für das Achtelfinale.

Erleuchtung beim Spiel

Was für ein Name! Der Klang vielleicht größer als die sportliche Gegenwart, aber immer noch ein Brocken für uns. Auch für uns – ein Auswärts Muß! Je knapper die Urlaubstage werden, desto enger werden auch An- und Abreise gelegt. Mit dem drittbesten 0:0 der jüngeren Vereinsgeschichte sind die Voraussetzungen für das Rückspiel grandios. Manche von uns schaffen neben dem reiseauslösenden Fußball dennoch ver meert etwas Kultur in Amsterdam zu sehen. In einem an Grandiosität kaum zu überbietenden Rückspiel sichert sich Union den Einzug in das Achtelfinale. Unsere Blütenträume überschlagen sich. Die einen wollen Barca. Nee, du, die sind schon raus. Manchester, Rom, Sevilla und bloß nicht Rotterdam – wir fliegen gedanklich quer durch Europa. Am Ende wird es wie um einen Kreis zu schließen das belgische Union, das unserem in vielem so ähnlich, besonders aber im Spielstil.

In einem ergebnistechnisch furious daherkommenden Hinspiel wahrt Union (beide) alle Chancen für das Rückspiel. 

Unser Union erwischt einen seiner wenigen guten Tage und verliert klar mit 3:0. Enttäuschung hin oder her – wir feiern die Mannschaft und insgeheim sagen wir ihr damit auch Danke für eine unglaubliche Reise durch Europa, derer wir uns sicher alle lange erinnern werden. Für tolle Stunden in Flugzeugen, Fähren und Zügen mit vielen tollen Menschen. Und ja, von dieser Droge hätten wir alle gern mehr.

Wir zogen durch Europa
Und machten niemals Halt
Von Braga bis nach Brüssel
wir sind die aus’m Wald

Urs Fischer und Oli Ruhnert
In Berlin sind wir zuhaus’

Und fahren durch die Welt
Wir geben niemals auf
Denn wir komm’ aus Köpenick

(Sorry, Ronny)

Eine Antwort auf „Wir zogen durch Europa…“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert