Tulpen nach Amsterdam tragen – Het vierde deel

Oder von denen, denen die Sonne…

Ein Reisebericht aus 2 Perspektiven von Tom und Jan Grobi.

Donnerstag, den 16. Februar 2023: Tom bereitet sich mental auf das Spiel vor:

Die persönliche Lebensplanung fügte es, dass ein auswärtig stattfindender Lehrgang und die Abfahrt nach Amsterdam sich nicht überlagerten, sondern exakt ineinander übergingen. Man könnte meinen, es sei planvolles Handeln gewesen, wo es doch nur das Glück des durch’s Leben Mäandernden war. Dieser kleine Exkurs führt uns ein nur selten beachtetes Thema ins Blickfeld unserer Aufmerksamkeit – die Mehrfachbelastung von Fans. Dass Fußballgötter anders reisen als ihre JüngerInnen, ist nachvollziehbar und auch gut so. Ausgenommen Fußballgötter im Ruhestand.

Während für die Helden auf dem Platz Mehrfachbelastung lediglich eine dichtere Taktung ihrer Lieblingsbeschäftigung, nämlich Fußball spielen, ist, sind wir von einem breiten Canon an zu bewältigenden Widrigkeiten umstellt. Arbeitgeber, Familie, andere Sozialkontakte zerren an einem und alle haben berechtigte Ansprüche uns gegenüber.

Obendrein müssen wir meist auch noch  getrunkenen Alkohol verarbeiten, den Stimmbändern irgendwie Ruhe gönnen, um nicht den Rest des Lebens wie vierzehnjährige Teenager zu klingen. Auch wenn wir das tief im Innern natürlich sind. Jedenfalls, die Jungs unter uns. Aber heh, wen interessiert das? WIR SPIELEN GEGEN FUCKING AJAX! Das sind die, die mehr Titel haben als wir Urlaubstage.

Jan Grobi ist bereits sehr früh wach und wird von einer Meldung überrumpelt:

Mittwoch, am Tag vor der großen Tour packen wir noch Goodie-Bags, erst die Pflicht, dann das Vergnügen. Alle machen mit und so sind wir schneller fertig als erwartet. Verabschiedung bis morgen, wir gehen noch was Essen und dann nach Hause. Jens pennt bei uns, die Koffer sind gepackt – noch ein bisschen quatschen und dann ins Bett.

Um 3:24 Uhr möchte der Körper nicht mehr schlafen, zu viele Gedanken kreisen in meinem Kopf. Jens ist da natürlich schon komplett fertig, der Kaffee zum Glück auch. Morgenmuffel trifft Lerche, aber wir kennen uns und sind eingespielt. Schreckensmeldung: ZUG FÄLLT AUS! Aber es gibt ein Ersatzzug, der nach ersten Informationen kürzer sein soll.

Um 5:15 Uhr werden wir von Katja und Christian abgeholt, es geht zum Ostbahnhof statt zum Hauptbahnhof. Plätze sichern. Der Ostbahnhof ist noch schlafend, nur eine kleine Bäckerkette hat offen. Nach und nach trudeln die Mitfahrenden ein und auch der Berufsverkehr geht los. Verrückte Leute, die an solchen Tagen zur Arbeit gehen! Der Zug kommt und hat genug Platz. Die Party beginnt mit lauter Musik und ersten zögerlichen Getränken. Frau Kupfer stellt sich als unsere entspannte Zugbegleiterin vor und sie wird uns nicht enttäuschen. Wir sie allerding auch nicht.

Der Zug ist voller Unioner a’la coleur – Von Sangriaeimer und Ballermann bis 1. Klasse Ruheabteil mit Textilvergehen, von Hard’n Heavy bis Die Flipper`s (Dankeschön). Wir fahren durch bis Bad Bentheim, dort wartet unser eigentlicher Zug, weiter nach Amsterdam.

Irrtum! Wir warten 90 Minuten auf dem Bahnsteig auf den Zug. Auf dem Nachbargleis fährt ein Güterwagen ein der unter den wachsamen Augen der Polizei vollgestickert wird. Endlich geht es weiter bis Amsterdam Centraal. Aber die Verspätung bedeutet keine Frikandel und keine Fritten vor dem Spiel. Stattdessen geht’s zum Hotel. Wir machen uns Stadionfein und ab zum Gästeeingang.

Grobi wird nicht der erste sein, soviel steht fest. (Ich treffe Olli von der Alten Podcasterei, der keine Karte hat) Es ist schon sehr voll im Eingangsbereich. Stadionöffung!! Für Grobiverhältnisse recht entspannt und schnell durch die Kontrolle. Sebastian schreibt mir: „bin da“ und macht mich noch nervöser. Okay, wir wussten, dass das Stadion viele Stufen haben wird, aber sie sind klein und hoch und noch mehr als in Braga oder Grotterdam.

Endlich außer Atem oben angekommen, Bier, kalte Pizza schnappen, Plätze suchen und das Stadion mit den Augen vermessen. Alter! Das ist die fucking Johann-Cruijff-Arena! Hoffentlich wird man gegen den Heimbereich ansingen können und hoffentlich sind unsere Götter nicht zu nervös. Handyempfang ist hervorragend – die Mannschaftsaufstellung ist da. Kurzer Blick, keine Überraschungen, mal abgesehen von den Jugendspielern auf der Bank. 

Die Arena füllt sich, Fähnchen werden geschwungen und gefilmt, auf den Leinwänden übertragen, Stimmungsmusik – Ajax könnte, ohne aufzufallen, in der Bundesliga spielen. Spielbeginn, das Stadion leuchtet rot und es wird neblig. Die Fahnenschwenker sind aktiv und unser Support scheppert ordentlich. Wie unsere Götter auf dem Platz Ajax – hat uns Ali voll im Griff. Spiel im Stroboskopffekt, aber was man sieht macht uns stolz. Halbzeitpause! Bier holen, um die Stimme aufzupäppeln. Die Toiletten sind gewöhnungsbedürftig. 2. Hälfte ist schnell zusammengefasst:

Tor, Jubel, VAR – Spielende! Unfassbar stolz, warten wir singend, bis man uns auf die Treppen lässt.

Tom übt sich im Stadion mit neuen Gesängen und hat Hunger:

Ein anständiges Europapokalspiel ohne Blocksperre scheint keines zu sein. Mittlerweile sind wir da auch erwachsener geworden. Anstatt Sitzschalen anzukokeln, üben wir uns in neuen Gesängen, auch den textlastigen. Wenn dafür das eine oder andere Mal das Lied von der durch das soziale Hilfenetz gefallenen Familie etwas weiter nach hinten in der Playlist rutscht, um so besser.

Als BerlinerInnen sind wir es natürlich gewohnt, zu jeder Tages- und Nachtzeit ausgiebig Essen gehen zu können. In Berlin kann man Döner mit alles oder Currywurst mit Pommes auch zum Frühstück bekommen, aber bei näherer Betrachtung würden wir auch zuhause Schwierigkeiten bekommen, wenn wir mit einer Horde von 20 Menschen in ein Restaurant einfielen. Etwas anderes als einen Hinweis auf die späte Stunde wäre verwunderlich.

Insofern ist dem Italiener, bei dem wir, leicht angehungert, einfielen wie unsere Vorfahren über seine bei Kalkriese, die ehrlichste Bewunderung zu zollen, uns bekocht zu haben. Und war es auch nicht das beste italienische Essen, dessen wir jemals habhaft wurden, war allein die Restaurantkatze, die Brando-like die Szenerie beobachtete, den Besuch wert.

Jan Grobi ist unzufrieden über die Situation am Ausgang:

Die Auslasssituation war typisch europäisch. Die Treppen sind eng, endlos und rutschig, wenigstens ging es nach unten. Kaum dort angelangt, war auch schon Schluss mit Laufen. Die holländische Polizei hatte ihre Einsatzwagen so positioniert, dass maximal 2 Personen gleichzeitig das Stadion verlassen konnten. Selbst bei nur 2600 keine gute Idee, erst recht nicht, wo diese völlig beseelt sind. Durch ein Spalier Klingonen mit Vollbewaffnung ging’s dann zum Metrobahnhof. Sind ja nur zwei Stationen, denken wir, das geht auch stehend. Denkste! Die Bahn fährt nonstop Richtung Centraal Station und wir steigen dort um und fahren zurück zum Rembrandtplatz. Der lebt, aber Plätze sind Mangelware.

Wir finden einen Italiener, der im Schließen ist. Bei über 30 Leuten ist der erwartete Umsatz interessanter als der frühe Feierabend und es gibt die erste feste Nahrung für uns! Satt verlassen wir das Lokal um echtes Amsterdamer Flair zu genießen. Ein Pub mit gegenüberliegender Pommesbude! Die Müdigkeit und die Regennässe macht sich breit und die Info der letzten Bahn (Laatse Rit) zum Hotel zwingt uns, aufzuhören. Am Hotel nehmen wir noch ein Schlaftrunk – Ordnung muss sein und nach nur 23 Stunden (2:00 Uhr) liegen wir wieder in Betten.

7:30 Uhr weckt mich meine Uhr, zwei Minuten später steht der schon angezogene Jens vor mir. Einen Kaffee und eine Dusche später geht’s zum Frühstück und anschließend zum Centraal. Pommes bei Menneken Pis müssen schließlich unbedingt sein. Es bleibt wenig Zeit zum Essen, der Zug will erreicht werden. Selbst um den Bahnsteig zu betreten, braucht es Fahrkarten, ganz Amsterdam hat einen beschrankten ÖPNV.

Gruppenfahrten kennen sie vermutlich nicht, also schleusen wir die ganze Truppe illegal durch ein offenes Tor. Unser Abteil befindet sich am Ende des Zuges, das wissen wir. Aber aus welcher Richtung der Zug kommt, wissen wir nicht. Wir spekulieren und liegen natürlich falsch. Trotzdem erreichen wir unsere Plätze und lernen Rudi, einen 26 jähriger Althool, kennen. Kaum ruckt der Zug an, ist die Bluetoothverbindung zur Boombox pairing, wie sie sagt. Ein bisschen Unterhaltungsmusik läuft, da werden wir von einer Mitfahrenden angeschnauzt. Ihr ist es zu laut, wir machen leise und es ist ihr immer noch zu laut.

Es stellt sich raus, nur Volume zero wäre okay. Wir sind aber leider nur kompromissbereit und nicht hörig, also läuft Musik und „Ruht“ wie wir die Frau getauft haben, läuft auch – wutentbrannt zu ihrem Platz. Es wird der running gag , so viel sei verraten. Christoph holt Cola aus der Mitropa und kommt mit 2 Bier wieder! Sie hatten  keine Cola mehr und irgendwas muss man ja trinken.

In Bad Bentheim geht’s zum Rauchen, die Lok muss ja gewechselt werden und in Holland ist auf Bahnsteigen rauchen genauso teuer wie Falschparken – niemand will abgeschleppt werden. Die Bahnbediensteten gucken neugierig auf die Drehgestelle in unserem Wagen, aus Neugier wird Besorgnis und diese überträgt sich langsam auf uns. Bitte nicht noch einmal „90 Minuten Bad Bentheim“! Es wird nur ne Viertelstunde!! In Hannover wechselt das Personal und bringt frische Getränke mit – YES!

Wir erreichen Berlin 15 Minuten später als geplant, verabschieden uns und freuen uns auf Sonntag!

Tom macht den Ausklang:

Da nach dem Spiel stets vor dem Spiel ist und das Dazwischen die Gelegenheit bietet, der Lohnarbeit zu fronen, Freunde von der Reise zu erzählen… wird so ein Reisebericht auch schon mal vom Rückspiel überholt. Einiges blieb unerzählt – da es schon wieder vor dem Spiel ist, nur ein kleiner Hinweis – Brüssel ist mehr als eine Reise wert.

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