Gestatten Preu…

Kaffee. Carro. Und Kremong Punkt

Kurz vor Beginn der Karwoche reisten wir mit einem gut gefüllten ICE nach Leverkusen, um dem noch amtierenden Meister unsere Aufwartung zu machen. Das war ein Glück. Denn nur einen Tag später hätten wir wohl einen Esel nehmen müssen, um dann palmbewedelt in die Bayarena einzuziehen. Aber wir sind ja darum bemüht, dass nicht soviel Aufhebens um unser Erscheinen gemacht wird.

Die Verbesserung der Infrastruktur und ein Erdrutsch zwingen uns zu einer Fahrt über Düsseldorf statt über die Domstadt sowie zu einer früheren als nötig erscheinenden Abfahrt. Sicher ist sicher. Ein wenig Rackwitz ist überall. Zu dieser frühen Stunde ringt uns nur ein Kaffee aus einem Pappbecher ein lebensbejahendes Zeichen ab.

So gleiten wir in einen der bisher wärmsten Tage des Jahres. Die achte Stunde hat noch nicht begonnen, Magdeburg ist noch nicht passiert, da Öffnen wir auch schon den “Kremong”, natürlich auch um der uns eigenen Auswärtsdekadenz zu fröhnen, vor allen Dingen aber, weil wir die Agraffe als Schalhalter benötigen. Es muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden, Auswärtsfahrten sind auch Bildungsreisen! Deswegen sollten sie eigentlich auch als Bildungsurlaub anerkannt werden. Danke V., dafür, dass Agraffe in meinen Wortschatz Platz genommen hat.

Wer die Koksstrecker aus der Mainstadt besiegt, dem alternden Serienmeister den Rollator weggenommen hat, die aufstrebenden Freiburger Trübsal blasen ließ und die Plattner aus Niedersachsen verbeulte, der darf eigentlich stets und ständig, und im Falle einer der langweiligeren Auswärtsfahrten des Jahres, den Tag mit französischem Schaumwein beginnen. Dem Stande als JüngerInnen des gepflegten Terrorfußballs gemäß.

In der Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen angekommen, nehmen wir, in Vorbereitung auf unsere Klassenfahrt, holländische Spezialitäten für den kleinen Hunger zwischendurch zu uns. Dem Zeilenknecht mündete sein frittiertes Kartoffelgericht mit Joppie-Sause ausgesprochen gut. Das Hot-Dog Spezial fiel dagegen etwas ab. Wobei das Spezial interessanterweise für eine radikale Reduktion auf das Wesentliche stand und nicht für ein Übermaß von diversen draufgegebenen Topics.

In einer performanceartigen Hommage an alle Sardinen fahren wir das Stück nach Leverkusen Mitte. Leverkusen, jene rechtsrheinische Perle des Unauffälligen ist nun wirklich lediglich für zwei Dinge über seine Stadtgrenzen hinaus bekannt: Bayer und Bayer. Das Eine steht für den Chemiekonzern, das andere für den Fußballklub und ist eingekreist von den durchaus pittoreskeren Köln und Düsseldorf.

Letzterer größter Sohn, Heinrich Heine, hat sich, anders als zum Beispiel über Göttingen, nie spöttisch über Leverkusen geäußert. Obwohl es doch so viel Fläche dafür böte. Warum also nicht? Der plausibelste Grund ist wohl folgender: Leverkusen wurde erst 1930 mit den die schon bestehende gleichnamige Arbeitersiedlung umgebenen Gemeinden zusammengelegt und zur Stadt erhoben. Heine hingegen zog es vor, 70 Jahre zuvor zu versterben. Für alle, die ihr Vorhaben, über die Wupper zu gehen, in der Art umsetzen wollen, in dem sie in die Wupper gehen, sollten bedenken, dass diese bei Leverkusen in den Rhein mündet. Wenn man sich da im Gestrüpp verheddert, hängt man in Leverkusen fest. Das kann man in keinem Seinszustand wirklich wollen. Also lasst es.

Einen schönen Kontrapunkt zu der Enge der Regio-Bahnfahrt setzend, laufen wir durch den weitläufigen Park zum Stadion, der mit seinen zahlreichen Bänken eigentlich zum schönen Verweilen einlädt. Diese Augenblicke haben wir nicht, aber alle touristischen Höhepunkte Leverkusens gesehen. Und da schimmert auch schon nicht nur die Sonne, sondern auch die Bayarena durch die frühlingsgrün belaubten Bäume.

Der Einlass ist von voröstlicher Milde und Wohlwollend geprägt. Unsere Zaunfahne konnten wir nur kurz präsentieren, da von der Szene eine Art Thementag angesetzt war. Es war Brandenburg-Spieltag so oder so ähnlich lautete die Ansage. Also heute eben keine textile Sichtbarkeit von uns. Dafür eine für nicht Eingeweihte unverständlich häufig zu betonende Nähe von Brandenburg zu Union. Dem Norddeutschen würde sicher ein stoisches “Wat mut, dat mut.” durch den Gedankenraum wandern, aber der Berliner bleibt verwundert. Am Ende ist es eine ganz hübsche Reihe thematisch ein breites Spektrum abbildender Chores von eben erwähntem Bekenntnis bishin zu einer rauchenden zum Sinn von Verbandsstrafen.

Während dem Geschehen im Block lief auf dem wirklich extrem gut gewässerten Rasen das Spiel ähnlich ereignisreich. Gut, dass wir uns alle noch ein Papier vor das Gesicht hielten, als Josip noch seine Passschärfe feinjustieren musste.

Fernando Carro, Bayers finsterer Lord, wird davon wenig gesehen haben, denn wahrscheinlich saß er in einem dem Operation-Room des Weißen Hauses nicht unähnlichen Raum und hat anhand der Daten von tausenden Hygrometer festgestellt, dass gerade vor den Toren das Grün um ein, zwei Prozent trockener war als im übrigen Spielfeld, was zu einer Wettbewerbsverzerrung führte. Nachdem er sich ein wenig als guter Katholik selbst kasteit hatte, soll er Andreas Rettig angerufen und sich über die Greenkeeper beschwert haben. Rettig sagt ihm, da es seine eigenen wären, solle er nach seinem Belieben verfahren. Nun fürchte ich, die Karwoche wird für die armen Greenkeeper eine messianische Note bekommen haben. Denn mit rechten Dingen kann es ja nicht zugegangen sein, dass diesen Feingeistern des Ballspiels es nicht gelang gegen rumpeligen Emporkömmlinge aus den Weiten der fußballerischen Ödnis ein Tor zu erzielen.

Und dann war da noch dieser Debütant, der sich dem Hochgelobten wohl mit den Worten “Gestatten Preu, David Preu und Du Wirtz hier nicht durchkommen!” vorstellte. Die Mannschaft wird so gefeiert, als hätten Hollerbach und Toussart doch getroffen. Aber wer braucht schon Tore, um einen Sieg in einem Spiel zu sehen, dessen Kontrahenten kaum unterschiedlicher sein könnten. Umso schöner war es, die bedröpelten Gesichter der Pharmazeuten zu sehen, was eben bittere Pillen so anrichten.

In der Bundesliga gibt es zwei Arten von Fanlagern. Da sind die einen, die sich im Umfeld eines Spieles mit den anderen Fans mehr oder weniger intellektuell hochstehend austauschen. Frotzeleien, Lob für ein gutes Spiel (das nach einer Niederlage beliebt sind wie ein warmes Glas Kölsch) oder der Wunsch für eine gute Heimfahrt sind Ausdrücke für den gegenseitigen Respekt. Und dann gibt es die anderen, mit denen man zusammen vom und zum Bahnhof läuft und kein Wort miteinander wechselt.

Leverkusener scheinen mehrheitlich zur letzteren Gruppe zu gehören. Einzelne Ausnahmen außer Acht lassen korreliert das, meiner Beobachtung nach, oft mit der Erfolgshäufigkeit und finanzieller Unberührbarkeit. Möglicherweise können Bayer- und Bayernfans ganz nett miteinander plaudern. So wie wir es mit Schalkern könnten, wenn die elendigen Hunde endlich mal wieder aufstiegen. Vorzugsweise in einer Saison, in der uns nicht das gegenteilige Schicksal ereilt.

Auf dem Weg zum Bahnhof scheint die Sonne heller als es die nachmittägliche Sonne vermuten ließe. Wegen Düpierung des Meisters werden wir von den Regionalbahnen mit überfüllten Zügen (RE1!) und Verspätungen bestraft. So schmolz unser so wunderbar geplanter Aufenthalt in Düsseldorf dahin. Mit ihm die Aussicht auf ein opulentes Abendmahl im “Schumachers”.

Stattdessen wurde es ein schnelles Essen auf die Hand in einer Zweigstelle der Poldi-Dönerläden. Als einziger, der einen klassischen Döner hatte, ist die folgende Gastro-Kritik empirisch nicht so solide aufgestellt. Satten Mäusen wird ja auch oft unterstellt, dass ihnen dann das Mehl bitter schmecken würde. Der Zeilenknecht war aber nicht satt. Deshalb ist das Urteil eines von rationaler Kühle getragenes. Man muss wohl Kölner und im Speziellen Effzeh-Fan sein um diesen Sandwich genannten Döner kritiklos bejubeln zu können. Die reine Menge, die man für knapp acht Euro bekommt, ist handgewogen weit von der Fülle seines Berliner Pendants entfernt.

Das Brot ist leider etwas zu süß. Das mag an der Nähe zu Frankreich liegen, wo es am Ende doch stets auf einen Briocheteig hinausläuft. Der auswählbaren Knoblauchsoße, was in NRW per se schon ein Pluspunkt ist, ist leider von Knoblauch nur erzählt worden. So kann man als Fazit festhalten, Ambiente und alles drumherum ganz nett. Das Produkt selbst etwas überschätzt. Aber bevor man von Hungerödemen gezeichnet zusammenbricht und „Save the Children“ einen retten kommt, kann man durchaus einen Besuch in Poldis Dönerbuden in Betracht ziehen.

Die Umstände der Rückreise fügen sich zu einer weiteren Über-Nacht-Bahnfahrt. Aus einer späten Ankunft wird eine sehr frühe. Angesichts des nahen Spiels der Frauen verabschieden wir uns schnell, denn keine sechs Stunden später werden wir in der Alten Försterei sein. Wo sich am Fahrradständer eine wunderbare Szene ereignete, die einem vor Augen führte, dass wir alle unsere Klischees im Kopf haben und ihnen nicht immer vertrauen sollten.

Zwei ältere Unioner, die man dem Erscheinungsbild nicht unbedingt bei einem Spiel der Frauen erwarten würde, kommen nacheinander am Fahrradständer an. “Wat kieksten so blöde?” “ Halt bloß die Fresse, du?” Danach eine herzliche Umarmung und mit zwei Bier in der Hand setzt man sich auf die Bank an der Ballspielhalle. Endlich wieder Zuhause.

Und die Frauen gewannen vierzunull gegen Ingolstadt.

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