Oder: Einsnull Union, zweinull Union, dreinull, viernull…(egal) fünfnull UNION!
6:48 Uhr: Prolog vor dem Adlershofer Bahnhof
Der Plan ein ausgiebiges Fußballwochenende zu machen, ist an den Begehrlichkeiten des männlichen Fußball-Dinos zerschellt, der seinen Frauen auch zeitlich ein Spitzenspiel bieten wollte. Dem DFB sind Planungen der Menschen weitgehend egal und so haben sie der Bitte des HSVs vermutlich mit Freuden zugestimmt. Weshalb dann nur auf dem Trainingsplatz gespielt wurde, bleibt ein Geheimnis der Stellinger Verantwortlichen. Aber die treue, grenzenlose Schar der Gefährten, die den Fußballgöttern und eben auch den Göttinnen Unterstützung gebend hinterher reisen, wurde auseinandergerissen wie einst Frodo und Sam ihren Weg allein gehen mussten, machte sich ein Quartett auf gen Hoffenheim. Während sich eine größere Schar in die nahe Haithabu gelegene größere Ansiedlung aufmachten.
7:30 Uhr: Adlershof
Ein Hauch von Déjà vu weht durch das noch schlafende Außenbezirks-Berlin. Der Döner-Mann, in dem winzigen Laden neben der stadtauswärts gelegenen Treppe am S-Bahnhof Adlershof verkauft aber schon Getränke. Denn hier kommen nicht nur die Partypeople auf dem Weg nach Hause vorbei, sondern die für eine Stadt systemrelevanten Kräfte auf ihrem Weg zur Arbeit auch. Ich, weniger relevant fürs Funktionieren der Stadt, hole zwei Fuze-Tea (Futzetee gesprochen) und Wasser. Flüssigkeit beruhigt den von einem hartnäckigen, nun aber langsam abklingenden Husten geplagten Hals. Akustisch klingt er immer noch so, als ob er unbedingt auf eine ausführliche Erwähnung im Mannschen Zauberberg hofft. Keinen vollständigen Mondzyklus ist es her, dass wir uns zu ähnlich früher Stunde trafen, um in die SAP-indoktrinierten Gaue zu fahren. Uns ist das aber alles ausreichend schwäbisch egal.
Unser Fanclubbusfahrer kommt heute etwas sportlicher motorisiert. Das wird die kleine, vor Abfahrt eingefangene Verzögerung sicher minimieren.
Trotz des wenig Freude verheißenden Auswärtsspiels ist unsere Stimmung recht zuversichtlich, zu stark sind uns noch die Eindrücke des torlosen Sieges gegen Salzburg/Nord präsent. Wir bestücken unsere Playlist erstmal mit Filmmusiken, was ihr eine ganz fantastisch optimistische Note verleiht.
8:00 Uhr: Frühstücksprolog
Mit einer fast zwanzigköpfigen Reisegruppe wollten wir am Sonntag nach Hamburg fahren. Dann kam der DFB und verlegte das sogenannte Topspiel der 2. Bundesliga auf Sonnabend – so verloren wir unsere Allesfahrer an das Spiel in Hoffenheim. Immerhin noch zu sechszehnt fuhren wir also zum Spiel unserer Eisernen Ladies.
9:30 Uhr: irgendwo auf der A9
Wer mit dem Auto durchs Land fährt, ist der zentralistisch vergebenen Versorgungsstruktur mehr oder weniger alternativlos ausgeliefert. Große Teile sind von einer Kette, von der Unionspolitiker gern vorgeben, dass sie sie auch regelmäßig besuchen, dominiert. Verstörender Weise ist dieser Kette der frühe Reisende egal oder sieht in ihm nicht hebenswerten Profit.
9:38 Uhr: ICE 1604, Wagen 23…
Routiniert wie Auswärtspendler – schließlich sind wir erst vor zwei Wochen zur gleichen Zeit von hier aus nach Hamburg aufgebrochen – fahren wir mit unserem ICE zu menschenwürdiger Zeit los. Dieses Mal geht es gegen den anderen Hamburger Verein.
11:24 Uhr: Ankunft Hamburg Hauptbahnhof
Ein nicht kleiner Teil der Gruppe bevorratet sich erstmal mit köstlich klietschigen Franzbrötchen. Das Volksparkstadion ist schließlich nicht das Millerntor-Stadion und so machen wir uns mit dem zimtig-süßen Kalorienvorrat direkt auf den Weg nach JWD.
Um 12:40 erreichen wir Stellingen und hatten uns auf 20 Minuten Fußmarsch eingestellt. Doch, huch, es stehen Shuttlebusse bereit – gelobt sei die heutige Verkaufsmesse einer Hamburger Modemarke direkt vor dem Stadion. Wenige Minuten später steigen wir am Stadion aus, winken kurz zu „Uns Uwes“ bronzenem Riesenfuß und erreichen eine Stunde vor Anpfiff die Paul-Hauenschild-Sportplätze. Auf einem von diesen wird das heutige Spiel Hamburger Sportverein gegen 1. FC Union Berlin ausgetragen.
Wir sind nicht die Ersten. Es hat sich bereits eine natürliche Fanteilung ergeben: links der Mittellinie alles rot-weiß, rechts davon die Hamburger Farben. Erstmal Banner aufhängen. Das Spiel ist mit 630 Fans ausverkauft. Kurze Orientierung: Toilettensituation: drei Dixiklos. Versorgung: ein Wagen, der Getränke und Gegrilltes verkauft. Blitzschnelle Prognose: Zur Halbzeit wird das Bier alle sein, denn mindesten 50 Prozent der Anwesenden sind Unioner. Und der Virusbus ist noch nicht mal eingetroffen.
Auch die arme Marie Becker muss sich an den Dixies anstellen. Das bietet die Gelegenheit, ihr wenigstens schnell und von Herzen gute Besserung zu wünschen, ohne ihr dabei allzu sehr auf den Keks zu gehen, versteht sich. Wir sehen noch einige andere bekannte Gesichter, Olaf, der taz-Unioner, ist da. Andora ist nicht zu übersehen. Schließlich kommen auch noch Christian Arbeit und der Präsi. Topbesetzung – wie es sich eben für ein Topspiel gehört.
Alles andere als top ist allerdings der Zustand des Rasens. Eine Anzeigetafel gibt es nicht.
13:15 Uhr: Sinsheim – Parkplatz an der Autobahn-Unterführung
Bei immer noch für das Reiseziel zu heiterem Wetter schimmert das Dach der PreZero-Arena am Horizont. Bemerkenswerterweise muss man, um Zugang zu diesem vermeintlichen Tempel der CO2-Reduzierung zu erhalten, seine als PDF-Datei erhaltenen Tickets ausdrucken. Ja, lasst uns doch Schneisen in den schwedischen Wald drucken. Das Eine hat ja nichts mit dem Anderen zu tun.
Pünktlich zur Stadionöffnung erreichen wir die Treppe zu den Kontrollpunkten. Kurz und freundlich, auf die schwäbische Art eben, ist der Einlass. Im Innenraum blicken wir auf ein komplett leeres Stadion. Das Spiel war doch heute, oder? Der Gästeblock beginnt sich traditionell zeitig zu füllen. Das beruhigt, sich doch nicht im Datum vertan zu haben. Aber so ein leeres Stadion, ehrlich, bis auf Ordner war im Heimbereich niemand zu sehen, haben wir so auch selten erlebt. Und Achtung Spoiler, es wird bis zum Anpfiff auch nicht viel besser.
Die Zaunfahne hängt. Für die telemediale Wahrnehmung vielleicht ein wenig zu hoch.
13:47 Uhr: Trainingsplatz 6, Stellingen
Mittlerweile haben sich weitere Zuschauer auf dem Hang des Hügels, auf dem das Volksparkstadion thront, positioniert, ebenso stehen Fans gegenüber hinterm Zaun. Das Interesse übersteigt also das Kartenkontingent. So muss es sein.
13:55 Uhr: Gästeblock Der PreZero-Arena
Wenn während des Untergangs der DDR, mit dem Bild einer Abstimmung mit den Füßen versucht wurde, das Phänomen sterbender Staat griffig zu beschreiben, dann kann man diese Metapher durchaus auch auf die TSG anwenden. Wenn die wegbleiben, denen dieser Verein etwas bedeuten sollte, tja, dann ist es letztlich egal, was mit der TSG geschieht. Wir würden ihr Fehlen wahrscheinlich erst in der nächsten Saison bemerken, wenn uns auffällt, dass wir gar keine Reise nach Sinsheim planen müssen. Natürlich kann man es auch so sehen, dass die Menschen in und um Sinsheim herum begriffen haben, wie man CO2 einfach und nachhaltig reduzieren kann – durch dauerhaften Verzicht. Die PreZero-Arena steht somit nicht nur für einen ökologisch-inspirierten Betrieb, sondern auch für Zero Zuschauer.
Aber fürs Erste sind wir mit Bier, Cola und Pommes gut versorgt und sind gespannt, was am nördlichen Ende der Republik geschieht.
14:02 Uhr: Tor in Stellingen
Hui, das ging schnell: Der HSV triff mit einem sehenswerten Sonntagsschuss aus der zweiten Reihe, keine Chance für Cara Bösl. Die Eisernen Ladies wirken etwas fahrig und brauchen einige Minuten, bis sie das Spiel in den Griff bekommen. Allerdings fahren die Hamburgerinnen auch immer wieder gute Konter. In der 38. Minute macht unsere Kapitänin dann das 1:1. Eisern Union, Eisern Union!
14:35 Uhr: Sinsheim, Gästeblock
Während wir noch die Aufstellung studieren und uns über das Fehlen von Bénes erst auf Hinweis von Daheimgebliebenen ebenso wundern, wird via Lautsprecher das beste Torwartteam der Welt angesagt. Unverständlicherweise läuft nicht unser Team, sondern das der TSG auf den Platz, bei dem das einzig Bemerkenswerte ist, dass Jakob Busk Fußballgott dort jetzt als Dritter aufläuft. BUSK! BUSK! BUSK!
14:55 Uhr: Stellingen spielt Dixie
In der Halbzeitpause gehen wir halbzeitpausenüblichen Verrichtungen nach (vor allem anstehen am Dixieklo) und studieren zudem natürlich die Aufstellung der Männermannschaft in Hoffenheim.
15:00 Uhr: Mission Thermodruck
Wie Ideen das Licht der Welt erblicken, bleibt ja meist im Dunkeln verborgen und oft ist es auch gut so. Denn die Idee selbst strahlt ja genug und erhellt die Welt mit ihrem wärmenden Licht. So können wir verkünden, dass die Mission selbstgedruckte Aufkleber, weil diese erstmal zu klein sind, zu einem Mosaik zusammenzufügen, in der Praxis erfolgreich getestet worden ist. Und es beweist auf eine sehr artifizielle Art und Weise die Richtigkeit der These, dass das Ganze stets mehr ist als die Summe seiner Einzelbestandteile.
15:20 Uhr: Trainingsplatz 6, Stellingen
Zehn Minuten nach Wiederanpfiff trifft Captain fantastic Lisa Heiseler zum 1:2. Ein Unioner hält das für einen guten Anlass, einen Rauchtopf zu zünden. Unter roten Rauchschwaden und solidarisierenden „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“-Sprechchören wird er von den Ordnern, die ohnehin die ganze Zeit direkt hinter ihm standen, zum Ausgang geführt.
Lisas Tor ist eins der Kategorie „musste dabei gewesen sein“, denn, weil das TV-Bild ausfällt, wird es niemand außer uns Anwesenden jemals zu sehen bekommen. Die ansonsten im Spiel sehr starke Hamburger Torhüterin ist wahrscheinlich nicht traurig drüber: Da sie zu weit draußen stand, (was Lisa eiskalt ausnutzte, um oben rechts zu treffen und sie alt aussehen zu lassen) war es aus ihrer Warte schon eher Kategorie Kacktor.
15:20 Uhr: Sinsheim bleibt leer
Ein nicht mal halb gefülltes Stadion, das sich Arena nennt, ist ähnlich einem Supersportwagen im Stau vor allem eines – albern. War die Musikauswahl bisher eine gut erträgliche, kommt von dem sehr besonnen redenden Stadionmoderator angesagt das Badener Lied. Ach, das ist hier gar nicht Schwaben? Im Anschluss folgt die Fan(!)- und nicht die Vereinshymne. Immer irritierend ist, wenn dabei der Text karaokemäßig eingeblendet wird. Aber nichts scheint die Stimmung in diesem Stadion anzuzünden.
15:29 Uhr: Stellingen
Tomke Schneider tackled direkt vor uns eine Hamburgerin so gnadenlos wie sehenswert. Ein, zwei solche Grätschen zuhause und das Stadion wird unserer neuen Innenverteidigerin zu Füßen liegen. Zum Zungeschnalzen schön war das. Ach so, und: Das Bier ist jetzt alle. Ham wa ja gleich jesagt!
15:47 Uhr: Neben Uwes Fuß
Charleen Niesler sieht die zweite gelbe Karte und muss runter. Einer Werbebande gibt sie beim Rausgehen noch kurz per Fußtritt Bescheid, was sie davon hält. 82. Minute. Kämpfen und siegen, Ladies! Plötzlich schwappen Jubelrufe durch den Block und die frohe Kunde: Tooooor in Hoffenheim! Wow, okay, Gefühlstumult. Erstmal das Spiel hier nach Hause bringen, dann sehen wir weiter. Hamburg rennt an. Die Eisernen Ladies verteidigen gut, man merkt ihnen die Unterzahl nicht an. Schlusspfiff: Gegen einen starken Gegner haben sich unsere Fußballgöttinnen drei Punkte eisern erarbeitet, unterm Strich ein verdienter Sieg.
15:54 Uhr: Tor in Hoffenheim!
Zwischen den geschwenkten Fahnen hindurch sehen wir einen Schuss, dessen Ziel wir nicht sehen, aber der um uns auftosende Jubel zeigt uns, dass es offensichtlich erfolgreich war. Wer? Egal, wir verschütten erstmal anderer Menschen Bier, was die mehr verärgert, als sie das Tor freut.
16:15 Uhr: St. Georg – Hamburg Hauptbahnhof
Wir machen uns auf den Weg zum Hauptbahnhof. Ganz froh über diese Beschäftigung, weil wir der Führung nicht ganz trauen. Natürlich schielen wir die ganze Zeit nervös auf unsere Displays: immer noch 0:1 in Sinsheim. Zwei, drei Leute haben die Übertragung auf ihren Telefonen laufen, alle leicht zeitversetzt, sodass man einen Schreck nach dem nächsten bekommt, wenn wieder einer „Oh!“ oder „Ah!“ ausruft und man nicht weiß, ob es gute oder ungute „Ohs!“ und „Ahs!“ sind . Hoffenheim macht jetzt doch etwas Druck, hui jui. Shuttlebus, Stellingen, ab in die S-Bahn.
16:46 Uhr: Sinsheim – Der erste Kontakt
Trotz optischer Überlegenheit führen wir nur mit einem Tor und das auch Dank des unterschätzten Torhüters der Liga. Auch diese Woche wird er mit Missachtung vom Fachmagazin bedacht. Damit seine Bemühungen aus der ersten Hälfte nicht vergebens waren, wechselt Baume einen Spieler ein, der Debüts wohl ganz gut kann. Während wir versuchen im Jubel nicht weitere Biere zu verschütten, schalten wir nach Hamburg in eine S-Bahn …
16:50 Uhr: S-Bahn zwischen Stellingen und Hauptbahnhof
Der mit dem schnellsten Stream jubelt zuerst: Toooor, der neue Stürmer hat getroffen! Jetzt versammeln sich alle um die Handys, können es gar nicht glauben. Juhu! Aber 2:0, ganz gefährlicher Spielstand, das weiß man ja. Nicht zu früh freuen, nicht zu früh freuen …, bloß nicht zu früh freuen. Aber es sieht echt gut aus, was wir auf den kleinen Displays sehen. Durchhalten, beißen! Die S-Bahn zuckelt weiter. Hach, im Block wäre das jetzt so viel leichter auszuhalten.
16:58 Uhr: Auf einer Wiese in Sinsheim
Während vermutlich selbst der verantwortungsbewussteste Rettungsassistent seine reanimierenden Bemühungen schon nach dem zweiten Tor eingestellt hätte, dachten die Unioner auf der Wiese: Komm, lass uns noch einen Holzpflock in den Leichnam schlagen!
Wo uns im Block die Ungläubigkeit des grad Erlebten erfasst, betreibt unser Mob in Hamburg Fußballökumene…
17:02 Uhr: immer noch in einer S-Bahn der Hochbahn
Als das 0:3 fällt, gerüchtehalber auch noch durch Lucas Tousart, wissen alle Passagiere in unserem S-Bahnwaggon Bescheid, manche Hamburger freuen sich jetzt sogar schon mit uns mit. Drei-Tore-Führung und der Gegner wirkt sichtlich gebrochen. Es müsste doch jetzt wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn …, also wirklich, echt mal jetze … Wir erreichen den Hamburger Hauptbahnhof, am liebsten würden wir eigentlich mit der S-Bahn immer weiterfahren bis zum Abpfiff. Das Gewusel am Bahnhof lenkt etwas ab. Wir müssen zu den Schließfächern und jeder holt sich in der Wandelhalle noch etwas Warmes zu essen nach dem Tag in der nordischen Kälte. Dann fällt das 0:4. Unfassbar! Wann gab es das zuletzt? Wir liegen uns in den Armen. Puh! Kommt, jetzt spielt es zu null zuende! Abpfiff. Halleluja FCU!
17:12 Uhr: Zombieland Hoffenheim – 4null
Doppelt hält besser, denkt sich sicher nicht nur Hollerbach bei seinem zweiten Tor. Es ist der versilberte Dolch, der da jetzt neben den Pflock gestoßen wurde. Schlagartig wird das Publikum wach, von den wenigen, die ohnehin schon da waren, verlassen viele jetzt die Begräbnisstätte PreZero-Arena. Wobei sich mir der Gedanke aufdrängte, haben die denn in der Minute zuvor gedacht: “Komm, das drehen wir noch!” Nur um einen Wimpernschlag später dann die Erkenntnis zu haben, “Ah nee, fünf Tore schießen wir heute nicht mehr.” Gern hätten wir alle die Mannschaft länger gefeiert, aber das verbindende wie spieltagsabschließende “Eisern Union” kam dann doch recht zügig. Zumindest für meinen Geschmack. Gut, der Rückweg wird trotz der Siegesfreude immer noch nicht kürzer, aber vielleicht war die Pleitenserie dann doch eine Spur zu lang, um völlig überschwänglich einen überragenden Sieg zu feiern. Und das gegen einen Gegner, dessen Situation ein alter Witz für mich ganz gut zusammenfasst: “War ‘ne Scheiß Beerdigung.” – “Wieso?” – “Warn die Einzigen, die getanzt haben.”
Wenn das Ergebnis dann endlich feststeht, dann wird einem bei allem Überschwang der Gefühle ganz rational bewusst, dass das die Momente sind, wofür man sich der Strapazen so mancher Auswärtsfahrt aussetzt. Bei einem vermeintlich gleichermaßen überlegenen wie unbeliebten Verein einen Sieg zu erleben, ist der Lohn. Das müssen keine Kantersiege wie hier in Sinsheim an der Autobahn sein, ein 2:1 in Salzburg/Nord nach einem verlorenen Pokalhalbfinale steht dem in Nichts nach. Aber „Einsnull Union. Zweinull Union. Dreinull, viernull … Union!“ ist mit einem Sechser im Lotto zu vergleichen.
17:35 Uhr: Hamburg, Hauptbahnhof
Wir steigen in unseren ICE, immer wieder schütteln wir ungläubig die Köpfe und haben das breiteste Grinsen der Welt auf den Gesichtern. Wir haben die wenigen Tore der letzten Monate mit Demut hingenommen, haben die Torflaute ertragen, versucht die kleinsten positiven Anzeichen im Spiel unsere Männermannschaft als Minifortschritte zu deuten.
Natürlich halten wir auch Misserfolge und Niederlagen eisern wie Granit aus, aber wir waren wohl doch etwas ausgehungert. Wie ausgehungert wir waren, merken wir allerdings erst jetzt, wo wir auf einer Zuckerwattewolke aus Glück und unbeschwerter Leichtigkeit direkt in eine Schokoladenfabrik, äh nach Hause, schweben. Selig, erleichtert und dankbar für zwei Auswärtssiege. Und übrigens: An zwei Auswärtsfahrten pro Saison nach Hamburg könnten wir uns echt gewöhnen.
18:00 Uhr: Gästeausgang PreZero-Arena
Da nach einem Sieg alles leichter geht, gehen wir ebenso leichten Schrittes aus der Arena durch die Dydydy-Unterführung zu unserem Gefährt. Doch zuvor müssen wir noch traditionell ein wenig TSG-Kram kaufen – FÜÜÜR EINEN Freund!
Gleich hinter der Unterführung gibt es einen wilden Stand, der neben Getränken auch diverse Fake-Spieltagschals und nicht lizensierte Fanartikel verhökert. Da es für den offiziellen Fanshop zu spät ist, wollen wir der Tradition huldigen. Doch erstmal geraten wir, wie auch immer es passierte, in eine Auseinandersetzung zwischen dem Standbetreiber und zwei erregten TSGlern, die irgendwie nahe zu legen scheint, dass, sagen wir mal so, die Nerven ein klitzekleines Bisschen blank zu liegen scheinen. Soweit es mit unseren unzulänglichen dialektischen Fähigkeiten möglich war, zu verstehen, ging es um ein vermeintlich geschubstes Kind, welches, wenn es das Kind war, unverletzt und unbeteiligt die Szene beobachtete. Kroatische und polnische Schals, deren Preis je nach Sichtweise entweder erpresserisch oder deeskalierend heruntergefeilscht wurde, sollen als Reparation für diese Tat die Gemüter befrieden. Das funktioniert nicht so gut. Mittlerweile droht man sich gegenseitig mit der Ordnungsmacht. “Rufen Sie die Polizei!”, mit Blick auf uns, wird versucht uns tiefer in das Geschehen einzubinden. Und wir wollten doch nur einen Pin kaufen. Genau deswegen widerstehen wir dem Versuch, uns gegen den Merkantilisten einzunehmen.
Traurig sind sie mir ja alle Gegner stets lieber, aber doch nicht so. Am Ende kaufen wir unter Polizeiaufsicht einen hässlichen Pin.
18:10 Uhr: Parkplatzausfahrt
Der erfahrene motorisierte Hoffenheimfahrer biegt vom Parkplatz kommend nicht wie alle nach links ab, sondern nimmt die rechts weiterführende Straße durchs Gewerbegebiet. Wirklich alles geht leichter mit Punkten im Gepäck, deshalb fliegen wir durchs winterlich werdende Land mit den Klängen einer durchaus beschwingt zu nennenden Rückfahrtsplaylist.
So kommen wir sogar noch in der letzten Stunde des Tages wieder in der Schönen Stadt an.
Sehr nice! 🙂
💪🔴⚪️