Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Euro… äh Gladbach?

Wenn der auswärtsreisende Unioner für die Abfahrt nach Lichtenberg, der etwas misslungenen Zuchtperle unter den Berliner Bahnhöfen muss, ist klar, es ist Partyzugzeit.

Oberflächlich betrachtet, ist so ein Partyzug nicht nur optisch aus der Zeit gefallen, sondern auch komfort-technisch. Er kommt eben nicht im für Stil gehaltenen Weiß daher. Diesmal war es ein angeschmutztes Man-City-Blau mit königsblauen Applikationen. Auch fehlt ihm das die Leichtigkeit des Seins vorgaukelnde Surren eines ICEs. Vielmehr ist es auf den Gängen ein lautes Rumpeln und Rattern und auf den Klos kann man beim Spülen Bahnschwellen zählen (oder zumindest versuchen). Ein Zug, der sich mit aller zur Verfügung stehenden Energie nach vorne arbeitet, um sein Ziel zu erreichen.

Gut, dass der Partywagen mit entsprechender Lautstärke dagegen arbeitet mit einem Mix aus boomerbeglückenden Rock, Schlager und generationsübergreifenden Partydingens.

Größtes Plus aber ist, dass man die Fenster öffnen kann. So ist es im Vorbei- und Durchfahren möglich, an wertgeschätzten Orten Grußbotschaften zu hinterlassen. Zum Beispiel in Charlottenburg, wo neben Grüßen auch die obligatorischen Zweifel an der Stadtzugehörigkeit hinterlassen werden.

Obwohl es eine “virale” Versorgung gibt, die auch kaubares beinhaltet, so dass im Zweifel niemand in Rheydt mit Hungerödemen ausgestiegen wäre, ist die gruppenbezogene Verpflegung ein wichtiger Bestandteil einer Partyzugfahrt. Alle Getränke in unzerbrechliche Behältnisse umgießen, Snacks vorbereiten, dazu Wechselkleidung (nein, ich hatte nur ein Paar Schuhe mit), Powerbank laden, ein Handtuch(!), Zahnbürste einpacken, die Schatten des Partyzuges reichen weit bis in die Tage davor. So präpariert dann die gebuchten Abteile belegen, ein wenig einsitzen, eine letzte Zigarette auf dem Bahnsteig. Berliner Luft kurz nach neun ist gar kein Alkohol, sondern Körperpflege. 

Einmal Partywagen, Klo, zweeeiii Bier und eine gar nicht so lange Plauderei im Nachbarabteil mit WuhleGin, Bier und Wein… zack sind 7 Stunden verflogen und man ist Rheydt/Hbf (!!). 

Zu wessen Komfort ist nicht so ganz klar, ob zu unserem oder dem des für NRW spärlich wirkenden Polizeiaufgebots, aber dort mussten wir lediglich von der Zugseite auf die Busseite des Bahnsteig wechseln, wo die bereitgestellten Shuttlebusse schon unserer Aufnahme harrten. Angesichts der sichtbaren Wirkungen des Alkohols bei einigen und des feinen niederrheinischen Regens war das ziemlich umsichtig.

Da waren wir nun an diesem in vielerlei Hinsicht mythischen Ort – Gladbach. Aber der Bökelberg ist fußballmäßig schon lange Geschichte. Also legt euch wieder hin, ihr Randzonenboomer des Ostens wie des Westens!

Für unsere eigene, noch kurze Bundesligageschichte ist Gladbach aber eben auch ein Mythos, weil es dies’ Jahr das erste Mal war, dass wir mit voller Kapelle anreisen konnten. Kein Virus, keine Zuschauerbeschränkung oder personalisiertes Ticketing konnte uns diesmal stoppen. Viele von uns haben noch die Eintrittskarte von 2019, jenes ungescannte Stück Fußballgeschichte. 

Interessanterweise mutet dem Borussiapark von außen etwas Wolfburgiges an. Das mag am gemeinsamen Grün in den Vereinsfarben liegen. Spoiler: Innen ist es deutlich angenehmer. Das liegt ganz sicher an den Fans, der Heimblock wirkt schon ganz schön stabil. Aber auch daran, dass der Auswärtsblock wenig bzw. gar nicht beschallt wird. Das ist wirklich sehr angenehm. Man kann als Unioner so seine Vor-dem-Spiel-Unionsachen machen, Biertrinken (auch Cola), Quatschen und schon mal ein bisschen Einsingen ohne mit regional sicher bedeutenden Werbebotschaften belästigt zu werden.

Vorweg haben wir noch die Stadioncurrywurst getestet.

Ich bin verpflichtet, zu sagen, dass sie lediglich die beste westlich Dortmunds sei. Persönliche Geschmacksvorlieben müssen deswegen leider unberücksichtigt bleiben.

In der angeblich so an Ereignissen armen ersten Spielhälfte fand unser Block zu einer lang nicht mehr so erreichten Kraft und Stimmgewalt. Gladbach spielte wie Gladbach in dieser Saison eben spielt und gegen Union schon fast traditionell, mit einer talentandeutenden Harmlosigkeit. Es gelingt unserer Mannschaft eben nicht zum ersten Mal, der kleinen oder der einzigen Borussia den Schneid abzukaufen. Und das auch noch für sehr kleines Geld. Zumindest aus der Stadionperspektive hatten sicher nur ganz wenige, zum schwarzmalerischsten Pessimismus neigende Unioner das Gefühl, es könnte heute schief gehen. Nach der Pause schoss Union in Person von Sheraldo dann auch das verdient wirkende Tor. Aber wir hätten es natürlich auch unverdient genommen.

Wir feiern unseren Terrorfußball, der wenig zulässt. Abpfiff. Wir feiern ohne Unterbrechung durch, unsere Mannschaft, uns, die große Zuneigung des Fußballgottes für ehrlichen Fußball und bemerken fast gar nicht, wie schnell sich das Stadion leert. Das ist eine auf verstörende Art faszinierende Erscheinung in den deutschen Stadien. Während man bei uns noch Stunden später im Stadionbereich rumhängt, hat man das Gefühl anderswo wischen sie gleich durch. Schieben wir es als mildernden Grund akzeptierend auf die späte Sonntagsstunde. Ebenfalls der späten Stunde gehorchend, verlassen wir das Stadion Richtung jener Shuttlebusse, deren Auftrag es für die Rückfahrt wohl war, uns ein Sightseeing zu gönnen. Denn sie dauerte deutlich länger als die Hinfahrt. Vermutlich nicht nur angesichts des schwindenden Tageslichts war es ein vergebliches Unterfangen.

Wieder in Rheydt/Hbf. angekommen, inspizieren wir die Bahnsteige und entscheiden uns schlussendlich für den, an dem wir angekommen sind. Tradition und so. Da wir zwar gekommen, aber nicht bleiben wollten, fuhren wir in den ersten Minuten des Montags zurück in die schöne Stadt. Bis auf einen Unermüdlichen schlug bei uns allen der lange Tag zu, sodass die Rückfahrt aus sanftem Schlummern dem Morgengrauen entgegen bestand.

Und mehr gibt es nicht zu sagen*.

*singend “Damals mit Damir Kreilach …”

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