Mit einem Bein knietief im Niederrhein

Von Fanfreundschaft und Ausgleichstor

In ein mildes Morgengrauen hinein durch einen grad erwachenden Außenbezirksortsteil der schönen Stadt zum Vorort-Bahnhof wieder einmal gelaufen. Busse fahren zu dieser Stunde hier noch im dreißiger Rhythmus. Wieder an dem inkontinenten Hund mit seinem Herrchen vorbei, der mich zum wiederholten Male beruhigt, dass der Hund nur bellt, weil er fast blind ist und sich erschrickt, wenn er von Passanten überrascht wird. Das kurze Gespräch endet stets mit “Gegen wen spielense?” Heute antworte ich “Gladbach.” Kurzer Austausch über die Chancen. Ich erwähne, dass wir die kleine Borussia eigentlich ja ganz gut können und zack bin ich wieder in meinem Optimismusmodus, den ich zu einem guten Teil aus Ignoranz speise. Nüscht lesen, keene Podcasts, außer die unionigen. Die sonntäglichen hohen TV-Messen der Fußballsalbaderei lassen sich mit gekündigten Abos und Spielansetzungen sowieso gut umgehen. Und ja, sie reden ja nie über Vereine wie den Unsrigen.

Ignoranz als Schlüssel zum Glück bis zum letzten Moment

Am Ostbahnhof sammelt sich der erste Teil der Gruppe, die an das westliche Ende vom Westen der Republik will. Koffeinhaltige Heißgetränke sind vor sieben sehr begehrt an der Backwerk-Alternative “Le Crobag”. Die recht krossgebackene Weizenstange mit Serranoschinken bewegt sich in einem nicht allzu sehr aufregenden Preis-Leistungsverhältnis. Am Bahnsteig sind wir noch nicht vollzählig. Nicht Schlafes Bruder, sondern dieser höchstselbst, fordert seinen Tribut von seiner Gefolgschaft. Der einzig wahre Bahnexperte sitzt schon in dem Wagen, der auch unser Domizil bis zu unserem Etappenziel Duisburg sein wird. Was im Nachhinein uns mehr hätte verwundern sollen, da der Zug doch hier eingesetzt wurde. Mit der für einen frühen Sonntagmorgen angemessenen Gemächlichkeit gleitet der Zug zum Hauptbahnhof, wo unsere Reisegruppe sich auf fünfundneunzig Prozent vervollständigt. Unser hoher Lord Banneraufbewahrer wird erst in dem kleinen Städtchen zu uns stoßen und das Bild einer gelungenen Auswärtsfahrt vervollständigen.

Entgegen unserer gebuchten Tickets fahren wir bis Rheydt durch, um Zeit für einen kleinen Snack zu gewinnen. Nicht in Betracht gezogen haben wir,  wie sehr die Gastronomie im westlichen Teil des Landes in Mondänität verkommen ist. Die ohnehin nur wenigen Restaurants der kleinen Bausatz-Innenstadt machen erst am späten Nachmittag auf. Natürlich nur Plebejer essen zur Mittagsstunde oder haben da schon wieder Hunger, diese verdammten Frühaufsteher. So bleibt nur die Köfte-Braterei, die ganz ok war, aber naja… 

Fanfreundschaft oder “Scheiß andere Vereine”

An Spieltagen im Umfeld von Kneipen auf Fußballfans zu treffen, auch Heim- und Auswärtsfans gemeinsam, ist ja nicht so ungewöhnlich. Aber hier wurde schon sehr fraternisiert. Was auch durch die fast unsichtbare Polizei, wie ich fand, deutlich wurde.

Haben wir nun eine Fanfreundschaft wie Herthaner und Karlsruh, Karlsruh…?

Ich hoffe nicht. Natürlich dürfen die Hammerhearts und die Sottocultura miteinander befreundet sein, wenn alle damit fein sind, bitte sehr. Aber wenn mir stimmbruchgeplagte Teenies, was von “… Gladbach und Union – Die Freundschaft!” entgegengrölen, dann ist mir das zu viel. Nein, eine Fanfreundschaft geht mir zu weit.  

Ich sitze auch gern mit Fans anderer Vereine beim Bier zusammen. Mit meiner Affinität für die norddeutsche Landschaft, Sprache und Lebensart sind mir natürlich die Nord-Vereine näher als beispielsweise bayrische. Gladbach selbst ist mir, außer der bescheidenen Erreichbarkeit größerer Infrastruktureinheiten nicht unsympathisch. Ok, selbst eine Woche Urlaub wären sicherlich eine touristische Herausforderung. Natürlich gilt, besser die als…(setze nach eigenem gusto einen unsympathischen Verein ein). Aber ich hätte ihnen keine Träne nachgeweint, wäre die Favre-Rettung damals schief gegangen. Im Gegenteil, ich hätte in der kommenden Saison gewollt, dass wir ihnen sportlich ordentlich einen mitgeben. Und aktuell will ich, dass eher sie als Union diese Saison richtig bescheiden abschließen. Müsste ich dann das alles, meine sicherlich irrationale Abneigungen entgegen, meine Großstadtarroganz ablegen? Wegen Fanfreundschaft

Ich bin dann doch Team “Scheiß andere Vereine”. Danke an den Fan des nächsten anderen Scheißvereins aus Hannover, der diesen wunderbaren Aufkleber auf dem Zugklo hinterließ.

Der Borussiapark sieht bei Tageslicht erstaunlich unfertig aus, wenn er nicht grün illuminiert wird. Auch fand ich letztes Jahr den Weg vom Bahnhof deutlich kürzer. Das kann ja nur plattentektonische Gründe haben, plausibleres fällt mir nicht ein. Jedenfalls spreche ich den Sonderzug von irgendwelchen realitätverkürzenden Auswirkungen völlig frei.

Alle anderen sagen, die Halbzeit sei nicht so gut gewesen. Mein Eindruck mit der Kombination von  Choreo, Fahnen und Anfeuern war nicht der, dass ich mir Sorgen machen müsste, dass die kleine Borussia irgendwas machen kann, was mir die Stimmung vermiesen könnte. Auch wegen Freddy. Vermutlich wird es im Stadion den einen oder anderen Borussen gegeben haben, der es umgekehrt ähnlich sah. In der zweiten Hälfte hätten wir ihnen auf dem Weg zur richtig bescheidenen Saison sehr helfen können. Ham’ wa aber nicht.

Ich konnte der Mannschaft bedauerlicherweise nicht meinen Respekt zollen, was mir auch einige böse Blicke einbrachte. Nicht vor Abpfiff aus dem Block zu gehen, konnte ich mit mir und meinen Bedürfnissen noch ausfechten, aber dann trieb es mich zuerst an die Keramik und danach ob der zeitigen Abfahrt an den Ausgang.

Auf der Rückfahrt sitzen die vermeintlich freundschaftlich Verbundenen dann doch recht innig mit Köln mitfiebernd in der 1. Klasse des Regio nach Wuppertal und bejubeln einen Ausgleich. Ja, eigentlich muss sich jeder um seine Sch*Punkte selber kümmern. Fertig. Dann eben Bochum. Könn’wa doch zuhause. Goldjungenmemories incoming.

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