“Mein Leipzig lob ich mir!”

“Es ein klein Paris, und bildet feine Leute”, wie der olle Hesse aus Weimar seinen Frosch im Faust plappern lässt, ist längst ein wenig aus der Mode gekommen. Die weniger feinen Leute aus Spreeathen haben sich dennoch fein herausgeputzt, nicht um dem Gastgeber zu zeigen wie sehr man ihn schätzt, sondern um der eigenen Gruppenzugehörigkeit die äußere Würde zu geben, die wir alle im Innern fühlen, die wir auch in die unangenehmsten Stadien und zu der Mannschaft tragen, egal, wie sie spielt.

Wo im letzten Jahr noch die Boykottgruppe ein Duo war, ist sie dies Jahr ordentlich gewachsen. Das müssen diese Misserfolgsfans sein, die, wenn es darauf ankommt, die eigenen Prinzipien vor den Karren “Unterstützung um jeden Preis” spannen und eben dann auch nach Salzburg/Nord fahren. Dahin kommt man überraschenderweise mit der Straßenbahn, wenn man zuvor mit dem ICE, für den man ebenso überraschend Tickets braucht, nach Leipzig fährt.

Doch vor der Fahrt steht zur Einstimmung das gemeinsame Frühstück am Hauptbahnhof. Das Gefühl, ein wenig ausgeraubt worden zu  sein, passt zum Gegner des Spieltages. Gesättigt und mit frohem Herzen gehen wir zum Bahnsteig. Anhänger des Vereins, dessen Name nicht genannt wird, stehen mit uns am Gleis. Habe keine Zeilen des ollen Hessen zu Meuselwitz* gefunden, aber da müssense hin. Ignoranz ist der Schlüssel zur Koexistenz. So fahren wir gemeinsam mit Anhängern von Groß-Mordor zu einem Spiel gegen Klein-Mordor.

Da wir Zonenkinder, wahrscheinlich tief verankert in unserem kollektiven Gedächtnis, alle wissen, die Luft um Leipzig herum is nich so dolle, haben wir uns Berliner Luft eingepackt und nehmen einige kräftige Züge davon. Ohne Atemnot kommen wir zeitig an, denn bevor wir weiter nach Salzburg/Nord reisen, wollen wir in der Stadt von Chemie und Lok essen und das kulturelle Angebot wahrnehmen. Das Brauhaus an der Thomasḱirche aus der Erinnerung des letzten Jahres als uns genügende Gaststätte auserkoren, serviert anständiges Bier und insgesamt mittelprächtige, aber überteuerte Gerichte

Nach der Speisung der Nichtfünftausend teilen wir uns kurzzeitig auf. Ein Gruppenteil will noch etwas laufen, vermutlich nur um sich am Bahnhof noch mit etwas Schmackhaftem zu versorgen. Die anderen schauen und hören sich die Ausstellung “Hits und Hymnen” im Zeitgeschichtlichen Forum an. Mit einer uns doch überraschenden Freude werden wir an einer Station mit “eure Hymne wird hier auch gespielt” begrüßt. So hören wir uns den Zusammenschnitt diverser Hymnen von Chorälen über Popsongs bis hin zu diversen Sporthymnen an, bis wir bei unserer, wenn nicht laut, so doch hörbar mitsingen. Der große Anteil glockenheller weiblicher Stimmen lässt sie schöner klingen als es Nina jemals intonieren konnte.

Der hymnischen Anbiederung innerhalb des Programmgedöns in Salzburg/Nord verweigere ich mich.

Der Grenzübertritt war ok, die Grenzbeamten offiziell gründlich. Der Hubschrauber war auch wieder in der Luft. Wir schwiegen 12/15 Minuten in einem durch. Hatten ein paar Geschenke dabei.

Irgendwann, so kurz vor sechs, gingen wir dann wieder zurück nach Sachsen. Ach ja, es gab ja noch diesen unglaublichen Vorfall von Häresie. Christopher Trimmel – rot? Die Bestrafung Giordano Brunos wirkt dagegen wie gerecht ausgewogenes Urteil. Ein milderes Urteil für Marco Fritz als er es selbst getroffen hat, wäre 16maliges singen der Zeilen “Ihr habt euren Gott im Himmel, wir verehren Christopher Trimmel!”. Damit könnte er eventuell sein Seelenheil retten.

Außerdem möchte ich David Raum für die “Goldene Himbeere” nominieren sowie den Deutschen Turnerbund animieren, sich die horizontalen Pirouretten noch mal anzuschauen. Ich sehe da mindestens eine Bronzemedaille in Paris. Das sollte man nicht liegen lassen.

Zurück in Leipzig. Am Hauptbahnhof ist noch der Köln-Sponsor offen. Mit frisch aufgefüllten Getränkereservoirs und Mägen schlendern wir zum Bahnsteig. Dort an der Regenkante des Bahnhofs Gebäude trifft sich der nikotinaffine Teil unter den Unionern. Die Stimmung ist weniger gedrückt als man es vermuten könnte, trotz des Ergebnisses aus Köln.

Kommen wir nun zu etwas gänzlich anderem und ich frage: WAS HAT DIE EINTRACHT JEMALS FÜR UNS GETAN? Aber auch wir wissen, jeder muss sich um seine Scheißpunkte allein kümmern, weshalb wir nicht missmutig die Rückreise antreten.

Vergleichsweise früh sind wir aus Salzburg/Nord zurück. Und dieser punktemäßig von Spielern zu Recht als Bonusspiel anzusehende Termin, der für uns aber wahrscheinlich immer so etwas wie Kloputzen bleiben wird, liegt hinter uns. Und hoffentlich in der nächsten Saison vor uns.

*der in Meuselwitz geborene Wolfgang Hilbig passt nicht für schlechte Witzchen

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