Mit dem traditionsreichen ICE 944 vom Hauptbahnhof abzufahren, ist der untrügliche Hinweis darauf, dass es mal wieder westwärts geht.
Dort… spielt mehr als die Hälfte der Liga. Jedes Städtchen ist eine Perle für sich. Zwischen Nichts und Düsseldorf liegt unter anderem Dortmund. Die haben da einen ganz leidlich erfolgreichen Verein, der auch Fußball spielt. Seit einiger Zeit hat dieser in der Bundesliga das Glück gegen Union spielen zu dürfen. Den Auswärtsfahrenden wie uns gibt es wenigstens einmal im Jahr die Gelegenheit, das ortsansässige Deutsche Fußballmuseum zu ignorieren. Insbesondere, wenn es nicht regnet.
Mangels höherwertigerer kulinarischer Alternativen und einer niedrigen Bewertung der besten Currywurstbraterei westlich Berlins landen wir ganz entgegen der Vereinsfarben des hier ansässigen Vereins im Biergarten „Stadion Rote Erde“, was wieder einmal eine gute Wahl für die Vorspielzeit war. Unweit des Stadions gelegen, kann man sich zu einem moderateren Preis mit Getränken versorgen als im Stadion. Es ist ein Ort der Ökumene, der uns so an der Försterei fehlt. Weder Tanke noch Abseitsfalle sind dafür geeignet. Außer man kommt vom Niederrhein.
Im Bratwurstranking, Kategorie außerhalb des Stadions, wird die dort Feilgebotene mit Sicherheit einen Platz einnehmen, bei dem man die Klasse halten wird. Allein, dass sie in eine Schrippe geklemmt verkauft wird, sollte ihr einen Spitzenplatz sichern.
Der Einlass ist für Dortmunder Verhältnisse zügig. Nun ja, wir sind diesmal weniger als die 13000 von 2016. Begeisterung, die zu vermehrten Ablichtungen führte, erregte der im Stadion befindliche Dönerstand. Als ob wir nicht aus der Geburtsstadt des Döner kämen oder eben gerade deshalb.
The bright side of Life – gucken oder sein?
Im Gegensatz zum Dienstag gab es diesmal wieder Fahnen. Es war also ein guter Tag, Serien zu beenden. Von den Rängen aus haben wir ihnen schon einige Male lautstark das Stadion genommen, aber vom Ergebnis her hat Union dort noch nie gewonnen. Und dann ist da jene Phase, die wir nicht Krise nennen, die aber mittlerweile für alle Beteiligten so ungewohnt zu sein scheint wie nen Schalker auf der Süd. In einer ersten Hälfte, die jede ablehnende Haltung zum VAR rechtfertigt, zeigte die Mannschaft ihr in dieser Saison typisches Spiel, offensiv stark, defensiv dafür mit viel mehr Platz als in der vergangenen Spielzeit. Dennoch gelang es mit einer Führung in die Pause zu gehen.
Besser sind wir hier nie in eine Pause gegangen. Irgendwie schien denen in Gelb das auch aufgefallen zu sein, so dass sie sich entschlossen, das so schnell wie möglich zu ändern. Das ist ihnen auch ganz gut gelungen. Deshalb hatten wir wieder mal Gelegenheit, das gute alte „Always look on the bright side of life“ anzustimmen. Jut verlieren können und so, Ihr wisst schon. Auch wenn diesmal vielleicht nicht das konkrete Ergebnis selbst auslösend war, sondern die Gesamtsituation, die sich aus der Niederlagenserie ergibt.
Von den gelben Torschützen mit rotweißer Vergangenheit jubelte der eine und der andere nicht.
Mir persönlich ist es, glaube ich, eigentlich egal, ob ein gegangener Spieler jubelt oder nicht. Er sollte dabei vielleicht nur auf eine Sandro-Wagnereske Attitüde verzichten. Auffällig ist nur, dass der, der alle seine Unionbilder in den sozialen Medien löschte bzw. löschen ließ, es nicht tat. Möglicherweise wiegen fünf Jahre Union und ein Aufstieg dann doch mehr als eine einjährige Leihe bei einem erfolgreichen Nichtabsteiger. Und eventuell sind die Dinge heutzutage in den Spieler-Berater-Verein-Ausrüster-Konstellationen komplizierter als wir, die wir von der Seite aus zuschauen, uns vorstellen wollen.
Jedenfalls hatten wir am Ende ein Quartett voll mit Tormusik. Und wir müssen ja gar nicht grundsätzlich darüber diskutieren, weil wir uns da ja einig sind. Tormusik ist Scheiße! Basta! Aber dank des Dritteldutzend an Toren, die in unserem Tor einschlugen, konnten wir das Verhalten der links von uns Sitzenden eingehender beobachten. Schließlich muss man sich ja auch ablenken, nicht nur von der Musik und Nobsi Dickel, sondern auch von dem Gefühl, einem Debakel beiwohnen zu müssen. Also zurück zu den links von uns Sitzenden. Aus einiger Entfernung betrachtet sitzen die da und gucken zu, wie auf dem Rasen Fußball gespielt wird, mit gelegentlichen Unmutsbekundungen. Einige filmen ob der guten Stimmung den Gästeblock. Bei einem Tor aber springen alle auf, um im Rhythmus der Tormusik den Schal zu schwenken und sich dann wieder hinzusetzen. Wo anderswo Ekstase herrscht, Getränke glauben, sie könnten fliegen, sich gegenseitig abgeklatscht wird, als hätte man höchstpersönlich getroffen, ist Schalschwenken zu Tormusik die VAR-kompatibelste Ausdrucksform von Freude, die ich mir vorstellen kann. Das kann man nach erfolgreicher Überprüfung durch Houst… äh Köln einfach wieder aufnehmen wie ’ne fallengelassene Masche beim Stricken. Im Misserfolgsfall … So und jetzt setzen sich alle mal wieder hin.
Vor der Rückfahrt zeigen wir Hauptstädter uns gewohnt weltläufig, indem wir asiatisch speisen. Mehr Gourmet geht kaum in Nordrhein – Signal Iduna… äh Westfalen.
Die Bahn schaffte es, uns mit einem ausreichend großen zeitlichen Abstand zur Mitgliederversammlung wieder nach Berlin zu schaffen, so dass für uns alle noch Schlaf, Duschen und Frühstück drin war.