Von A wie Abfall bis Z wie Zoo… 

oder “das kostet alles Steuergeld”

Wenn am Hauptbahnhof in der Raucherecke neben dem Backwerk wieder Unioner stehen, dann geht der ganze Irrsinn wieder los, den wir schlicht Saison nennen.

Den vom Virus befallenen ist es ja ein unschuldiges Vergnügen, morgens vor der offiziellen Erfassung von Uhrzeiten aufzustehen und dieses Land zu bereisen. Mit Frühstück im Bauch und Nachschub eingedeckt stehen wir in einer langgestreckten Menge, in der eine rotweiße Farbdominanz vorherrscht, am Bahnsteig und sind froh, dass uns die aufgehobene Platzreservierung wegen kaputten Zuges wenig anficht, da unser Weddinger Kommandotrupp schon in Gesundbrunnen ausreichend Platz okkupiert und beflaggt hat. 

Kurz hinter der Berliner Stadtgrenze holen wir die Dekadenz und den Champus raus. Jetzt, wo wir in der Champagnerliga sind, da müssen wir uns natürlich klischeegerecht benehmen. Feines Tröpfchen schon vor Acht. 

Als etablierte Klassenerhaltler sind wir reichlich entspannt und gleiten bei der Gegnerbesprechung ein wenig ab. Nein, nicht ins Proktologische wie es der Ortsname des Gegner anböte, sondern in Richtung Wolfsburg. Das mag überraschen, aber wir haben nicht befriedigend klären können, weshalb alle in Wolfsburg Jeff heißen, während die Nazis KdFs bauen. Die These, dass dies mit der Aufstiegsmannschaft von ’92 zu tun habe, konnten wir nicht zufriedenstellend ausgoogeln. Weswegen, als wir den Kalimandscharo, dem Ayers Rock Hessens, passierten, auf die  famose Idee gekommen sind, dies der werten Leserschaft zu übergeben. Also bis zum nächsten Spiel gegen Salzburg/Nord sammeln wir Antworten, die natürlich alle falsch sein müssen. In einem völlig intransparenten Verfahren bestimmen wir die uns genehmste Antwort und hauen eine Buddel Berliner Luft raus. 

Mit einer cineastischen Diskussion, bei der “Staplerfahrer Klaus – Der erste Arbeitstag” die maßgebende Referenz war,  erreichten wir wie im Fluge den auch in dieser Saison für uns maßgeblichsten Bahnhofs-Hub Frankfurt. 

Von Frankfurts nur löchrig bedeckten Himmel und somit vor übermäßiger Hitze geschützt, wechseln wir den Bahnsteig, um die Regionalbahn Richtung Darmstadt zu nehmen. Die Reibungslosigkeit dieses komplexen Vorgangs überrascht dann doch, keine Verspätung, kein Ausfall. 

Aber irgendwann schlägt das Ja-Mach-nur-einen-Plan-Phänomen dann doch noch zu. Unserer an sich sehr sympathischen Idee, in Darmstadt vor dem Spiel noch Essen zu gehen, steht die Idee der Bundespolizei nach überbordender Sicherheit kompromisslos entgegen, die den Bahnhof einfach teilte. Auf der Seite des Bahnhofs, wo wir hinausgehen durften, gab es genau ein Restaurant, das idealerweise geschlossen hatte. Auf der Innenstadtseite des Bahnhofs gab es laut Google Trilliarden kulinarische Etablissements. Alle für uns unerreichbar. Die Bemerkung einer älteren Dame angesichts unserer Ankunft und damit verknüpften Polizeipräsenz, im besten Hessisch vorgetragen, dass das alles unser Steuergeld kosten würde, versuchte mich kurzzeitig, hinterher zurufen: “Ja, meens och, is ja schließlich Bundespolizei!” Aber meine vernünftige Seite fing mich schneller als ich rufen konnte ein.

Die kommunikativ recht aufgeschlossene Hessische Polizei versprach uns, dass das Stadion schon dreizehndreißig öffnen würde und man ja dann dort essen könne, was uns in den bereitstehenden Shuttle-Bus einsteigen ließ. Von einer vorzeitigen Öffnung war am Stadion nichts bekannt. Zumal die Ordner noch eine integrierte Bildungsmaßnahme genießen. Wenn wir schon nicht essen können, dann kommt in uns der Ossi durch. Schließlich ist Samstag – also Subbotnik. Wir befreien die Geländer am Eingang von den Hinterlassenschaften des letzten Gastes der Darmstädter. Irgendwann sind alle adhäsiven Druckerzeugnisse der Geburtsstadt des Luftpumpenerfinders beseitigt. Wir werden eingelassen und stürzen uns auf den Bratwurststand.

Achtung, Achtung  … Grosses Stadion-Bratwurst-Ranking: Mit stolzen sechzehn Minuspunkten geht Darmstadt nicht an die Spitze, sondern lässt siebzehn Stadien den Vortritt. Optisch eigentlich recht vielversprechend, bekommt man sie in einer Schrippe gereicht. Leider ist sie nicht nur lauwarm, sondern auch geschmacklich auf einem Niveau, mit dem man Kleinkinder an ungesunde Nahrungsmittel heranführt. Das macht auch der in einer sehr natürlich wirkenden Farbe daherkommende etwas zwischen scharf und süß pendelnde Senf nicht wett. Erwähnte ich schon, dass die Wurst labrig war? Also Ergebnis: 16 Minuspunkte.

Zum Spiel: Weder Brendens Übereifer noch Herrn Ittrichs Krümelkac…äh konsequente Regelumsetzung konnten der Mannschaft den Glauben an einen grandiosen Tag nehmen.

Dass Union Tore geschossen hat, weiß  ich nur vom Jubeln und aus der Berichterstattung. Da unsere Szene des hundertjährigen Jubiläums der Vizemeisterschaft von 1923 gedachte – mit einer sehr großen und sehr vielen kleinen Fahnen sowie einem schönen Banner –  war die Sicht nicht nur baulich eingeschränkt. So ein Jahrhundert ist aber auch sowas von fix rum.

Nach der Behrens-Show die Woche zuvor nun die Gosens-Show, die uns alle in den Irrsinn treibt. Wer braucht schon Rationalität? Ist Euch eigentlich bewusst, dass ein Neuzugang noch …

Etwas euphorisiert liefen wir entgegen aller guten Ratschläge der Kollegen von Herrn Ittrich in Richtung TU Lichtwiese. Wo wir in der untergehenden Sonne sitzend auf den Regio aus der Baureihe 612 (Winke, winke Dennis) warteten. Wir plauderten mit Darmstädtern, die uns viel Glück inklusive Sieg in dieser League wünschten. Artig erwähnten wir, dass sie sich ein bisschen anstrengen sollen, da wir nächste Saison gern wiederkommen würden. Das war weniger geheuchelt als es klingt, obwohl wir natürlich die Vierzig-Punkte-Vereinsvorgabe etwas außer Acht gelassen haben.

So ein Diesel-Regio ist das schnellste Gefährt nicht. Wir zuckeln in Richtung Frankfurt, wo in Süd lediglich der bekannte Fastfood-Dealer mit den “golden arches” noch so geöffnet hatte, dass in einem nicht das Gefühl aufkam, einen verdienten Feierabend zu verzögern.

Mit dem Lumpensammler-ICE, der überall hält und die verstreuten Reisenden aufnimmt, fahren wir wieder in Richtung Berlin. Essend, Trinkend, Union-Berichte guckend, schlafend und Sozialarbeit leistend, sind wir nach Mitternacht wieder in Berlin. 

In alle Ecken Berlins strömend zieht es uns zu unseren Betten, denn gleich ist Drachenbootrennen in Grünau.

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