“Stellense sich das mal mit Sonne vor…”

oder

“Was macht die Katze auf dem Damenklo?”

Reisen in winterlichen Zeiten zeigen wie anfällig unsere modernen Reisetechnologien und unser Umgang mit ihnen gegenüber meteorologischen Unwägbarkeiten sind. Anreisen werden weitläufiger und langwieriger als ursprünglich geplant, wobei die Weitläufigkeit und Langwierigkeit nicht unbedingt miteinander korrespondieren müssen. Denn Wartezeiten aus den unterschiedlichsten Gründen egalisieren nicht nur, sie bevorteilen. 

Während die einen über Belgrad gen Westen flogen, verharrten andere Stunden in den geflügelten Röhren in Frankfurt. Mancher übernachtete in Amsterdam – am Flughafen. Und so schmolz manch gemachter Plan schneller dahin als das Eis auf den mit Enteisungsmittel besprühten Tragflächen. Aber wir kamen alle an. Während es die einen sofort in die Berge um Braga zog, verweilen die anderen in der Stadt an der Douromündung. Die durch die Stadtführung an Wissen bereicherten teilen diesen Reichtum bereitwillig mit dem anreisebedingt wissensfernen Gruppenmitglied. Deswegen landen wir nicht in einem von einer Quantität influzierten Laden, sondern in einer von einer Ortsansässigen empfohlenen kleinen einstigen Markthalle, die nun die immobile Spielart einer Ansammlung von Foodtrucks ist.

Porto und Portwein

Den Aufenthalt in Portugal mit einem Bacalau kulinarisch einzuläuten, ist vielleicht vorhersehbar konventionell, aber auch eine gute Entscheidung. Dazu ein erstes Superbock. Wenn man es genau nimmt, und wir neigen natürlich nicht zu Nachlässigkeiten, waren wir gar nicht mehr in Porto, sondern mit der Überquerung des Douro in Gaia. Exakt in Vila Nova de Gaia. So etwas wie das New Jersey New Yorks, nur schöner gelegen. Es gilt als ein Zentrum der Portweinherstellung. Vermutlich haben sich die beiden von einem Liverpooler Händler ausgesandten Engländer gedacht: “Vilanovadegaiawein” setzt sich als Name auf dem Markt nicht durch und nannten das Zeug nach dem am nördlichen Ufer liegenden Porto. Das Empire hatte beim Zusammenklauben von Gegenden in aller Welt aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht darauf geachtet, dass in dem territorialen Portfolio auch eine halbwegs annehmbare Weingegend ist, so dass der Bedarf an gekeltertem Traubensaft nicht ausreichend befriedigt werden konnte. Besonders wenn man sich öfter mit seinem Hauptlieferanten Frankreich um Kolonien, Seewege und Glaubensfragen streitet, ist das leichtfertig. Aus leicht nachvollziehbaren Gründen tranken die Briten im ausgehenden 17. Jahrhundert lieber Bier und Wein statt Wasser aus den Flüssen. Jedenfalls halfen die Portugiesen den Briten aus der Weinmangelklemme. Was dazu führte, dass über die erste Äone der Portweinexistenz hinweg “Englishmen Wine” synonym für Portwein stand. Weil die Nachfrage so groß war, wurde auch entsprechend gepanscht. Premierminister Pombal verfügte deswegen, dass der Wein für den Portwein nur aus dem Dourotal kommen darf und nur bestimmte Reben verwendet werden dürfen. Eine frühe Form europäischer Verordnung zur Qualitätssicherung – nimm das, Reinheitsgebot!

Wer übrigens mehr über Minister Pombal erfahren will, dem sei die Folge 427 der “Geschichten aus der Geschichte” empfohlen, die just in der Woche unserer Reise erschien. Gegen das große Konzept machste nüscht und gegen die Offerte, fünf Portwein für fünf Euro zu verkosten, ist man praktisch machtlos.

Nachdem wir uns alle in unseren Hotels von der Wirkung der Portweinverkostung erholt hatten, traten wir den Beweis an, dass nichts, was man mit Käse überbackt, dadurch schlechter wird. Francesinha sind der Beweis, dass jeder noch so verregnete Tag durch ihren Verzehr sonniger wird. Auf jeden Fall sollte man sich nicht mit dem Gedanken tragen, just an diesem Tag eine Diät zu beginnen. Reichhaltiges Essen verlangt gehaltvolle Getränke. Statt Portwein in reiner Form klingt der Tag mit einem Portonic aus.

Kaum auszuhalten, wenn noch die Sonne durchweg geschienen hätte…

Spiel- und Geburtstag in Braga

Am nächsten, sich wieder regnerisch gebenden Morgen zieht die Portogruppe nach Braga um.

Von Bergketten umringt, hält sich so eine Regenfront gern mal länger auf – so auch in Braga.

Auch schon länger hielt sich die Bragagruppe am Bahnhof auf, um dem Zeilenknecht hier ein Ständchen zu singen. Unter allen jemals gesungenen Geburtstagsständchen war es das Beste, das je durch den Äther schwang.

Im Prinzip ist Braga eine so wunderbar fußläufige Stadt, dass es kaum eine Viertelstunde ansteigenden Weges dauerte bis wir im Cafe Nordico zu einem wunderbaren Frühstück einkehrten. Diverse Eierspeisen und zwei Cafe Americano später sind wir für den Spieltag bereit. Zuvor noch in die Unterkünfte einchecken, dann ab in die Kneipen, die wohl ihre Bierbestände auffüllten, als sie von unserer Rückkehr nach Braga erfuhren.

Spiel zwei nach Urs und dann gleich jener Wettbewerb, in dem wir, bei aller Begeisterung für die Reisen durch Europa, hingehören wie ein Hund an die Fleischtheke. Wie lange werden wir noch die Zeit und das Spiel emotional mit “nach Urs” denken? In diesem ergebnisgetriebenen Fußball wird sicherlich der erste Sieg dazu beitragen, der neuen Zeit weniger vergangenheitsverhaftet zu begegnen.

Eine europäische Erfahrung lautet, sei rechtzeitig zur Öffnung am Stadion!

Der Aufstieg in den Gästeblock kam mir diesmal nicht so hoch vor wie noch letztes Jahr. Training ist eben alles. Davon hatten die Spieler nach dem Augsburgspiel nicht soviel, bevor sie es wie wir alle mit einer stressigen Reise zu tun bekamen. Inwieweit das Auswirkungen auf das Spiel hatte, mag jede/r für sich selbst beurteilen. Jedenfalls haben wir dieses Jahr einen Punkt mehr mitgenommen als letztes Jahr. Hoffnung saugen aus jedem kleinen Strohhalm.

Nach der traditionellen Blocksperre sammeln wir uns um grüppchenweise mit Taxis oder deren selbstausbeuterischen Spielarten zu einem reservierten Restaurant zu fahren, wo wir ausgiebig ein Unentschieden und einen schon erwähnten Geburtstag feiern.

Intermezzo

Liebe an der konspirativen Geburtstagsplanung Beteiligte, ob mitgereist oder zu Hause geblieben, ich möchte mich für einen der grandiosesten und mit Sicherheit unvergesslichsten Geburtstage bedanken. Danke für diesen Tag.

Gegen zwei Uhr erlösen wir das Personal und gehen in unsere Unterkünfte. Ein feiner Nieselregen begleitet uns dabei wie ein alter Freund durch die menschenleeren Gassen.

Auch am nächsten Morgen ist der Freund noch da. Wie gut, dass sich das Guesthouse im gleichen Haus befindet wie ein ganz hervorragendes Café. Americano und Croissant, die in Portugal übrigens von der bei uns üblichen blätterteigartigen Variante abweichen, sind ein guter kleiner Snack um für die Rückfahrt gewappnet zu sein. Während es die einen noch ins Dourotal und andere schon nach Hause zieht, kehrt eine dritte Gruppe nach Porto zurück. Um den restlichen Tag mit Sightseeing und Essen zu verbringen. Sao Francisco ist eine reichlich mit Blattgold verzierte Kirche mit sehr vielen Heiligenskulpturen. Unter anderem auch eine eindrucksvolle Figur des Heiligen Sebastian, der unter anderem der Schutzpatron der Sportler ist, aber auch der Bürstenmacher, Leichenträger und etlicher weiterer Berufsgruppen. Da muss sicher sehr aufpassen, dass man sich deutlich ausdrückt, für wen man um Hilfe bittet. Nicht, dass man für seinen Verein um Unterstützung will und dann eine Kiste Bürsten bekommt. Das im Nebengebäude befindliche Museum bietet einen anschaulichen Einblick in die Fülle katholischer Utensilien für die Religionsausübung.

Weil wir sicher nicht so schnell in den Genuss weiterer europäischer Auswärtsfahrten kommen werden, nehmen wir kulturell mit, was sich bietet. Im Gegensatz zu Sao Francisco ist der Eintritt ins Fotografiemuseum frei von monetärer Belastung. Das Gebäude hingegen ist nicht ganz belastungsfrei. Es ist ein ehemaliges Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert, welches bis zur  Nelkenrevolution als solches benutzt wurde. Einige der Werkübersichtsausstellungen der portugiesischen und spanischen Fotografen geben einen sehr privaten Einblick in die Zeit der Diktaturen und deren Überwindung der iberischen Halbinsel. 

Eine Lichtshow in der Igreja dos Clerigos, dessen imposanter Turm über Porto ragt, rundet den kulturellen Teil ab und läutet dezent den kulinarischen Teil ein. Übrigens hat diese Kirche, insbesondere der Turm, eine Autorin, deren Name nicht genannt werden wird, zu Szenerien in ihren Büchern inspiriert. 

Am Abreisetag häufen sich wieder die Meldungen von Verspätungen und verpassten Anschlüssen. Darin hat KLM echt mehr Tradition als RB… na, ihr wisst ja.

Nach kleinen Abschlussrunde durch Runde durch Porto – bei Sonnenschein – ein letztes Francesinha in einem offenkundig sehr angesagten Restaurant. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, ich mag die gekachelten Fassaden in Portugal sehr. In der Rue de Santa Catarina steht mit der Capela das Almas ein ganz herausragendes Beispiel dafür.

Auch mein Flug wird wieder mit Verspätung angezeigt. Einen Moment lang wünschte ich mir, ich wäre beim Planen weitsichtiger gewesen. Anstatt einer Phileas-Fogg-artigen Reiseplanung hätte ich gleich nach München fliegen sollen. So aber drohte wieder eine Übernachtung im verfluchten Amsterdam. Die fehlende Weitsicht wird mir drei Tage Aufenthalt in München ersparen, was zu dem Zeitpunkt im Dunkel der Zukunft lag. Da es jedoch so etwas wie korrespondierende Verspätungen gibt, jeder DB-Nutzer kennt das, habe ich mit einem Mal 50 Minuten mehr Aufenthalt in Amsterdam und komme diesmal direkt nach Berlin. Dafür erwischt es diesmal andere. Wenn die Kosten nicht erstattet würden, dann könnte man eine ganz ausgeklügelte Methode von KLM und den Flughafenhotels vermuten. Aber wie immer bei Verschwörungen ist es am Ende banal – hier sind es witterungsbedingte Verspätungen. 

Was die Katze am Gate 81 macht, wird wohl für alle Zeit ein Mysterium bleiben, das wir nicht mit dem gleißenden Lichtstrahl der Erkenntnis der Dunkelheit entreißen können. Auch weil unsere Scully nicht genügend Zeit für Ermittlungen hatte, so dass es nur bei einem Tatortfoto blieb.

Touristisch endet gegen Mitternacht für mich die wunderbare Reise durch Europa, die mich…uns zu Orten brachte, die wir ohne Unions Erfolg vermutlich nicht besucht hätten. Zum Beispiel Braga.

Eine Antwort auf „“Stellense sich das mal mit Sonne vor…”“

  1. Lieber Tom, danke für den schönen Bericht aus Porto und bragha. „Grenzenlos eisern“ und ich habe mich als eingefleischter „wessi“ aus dem Münsterland sehr wohl unter euch gefühlt. Das ganze drumherum mit Fans, weib, Wein und Gesang – einem leider sehr bescheidenen Championsleagespiel und das Durcheinander mit den Flügen (auch meinerseits mit der KLM) waren es dennoch super tolle und unvergessliche Tage .

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