Die Segnung des Störtebecker

54° 0′ N, 11° 26′ O, / 36.34 / 2.528 / 70 und 8 sind nicht etwa die Lottozahlen der letzten Wochen, sondern in eben dieser Reihenfolge die Koordinaten, die Fläche in km², die Einwohnerzahl, die Anzahl der Einwohner je km² und – last but not least – die Höhe über dem Meeresspiegel: die Insel Poel.

Wie jedes Jahr am letzten Juni-Wochenende veranstaltet der Poeler SV nun bereits zum dritten Mal seinen traditionellen Drachenboot-Cup und zwar in der beliebtesten Badewanne eines jeden Berliners: der Ostsee. Damit aber auch der geneigte Leser weiß, was ein Drachenboot ist, an dieser Stelle eine kurze Definition aus dem “Volkslexion Wikipedia“: „Ein Drachenboot (chinesisch 龍舟 / 龙舟, Pinyin lóngzhōu oder 龍船 / 龍船, lóngchuán) ist ein besonders langes, offenes Paddelboot, das ursprünglich aus China stammt. Meist stellt es durch Bemalung oder Schnitzarbeiten sowie einen dekorativen Drachenkopf und -schwanz einen stilisierten chinesischen Drachen dar.“ So weit so klar – oder? In dieses Drachenboot steigen dann meistens 18 Verrückte, die mittels Stechpaddel versuchen im Gleichklang unter den rhythmischen Klängen einer Trommlerin oder eines Trommlers und – nicht ganz unwichtig – unter den Antreibungsrufen des Steuermanns / Steuerfrau, mindestens einer Drachenkopflänge früher ins Ziel zu kommen als das gegenüberliegende Drachenboot. Klingt nach einer Galeere und glaubt mir, so fühlt es sich auch an. Aber nun von Beginn an.

Unsere Reise zur wunderschönen Insel Poel, die tatsächlich bei vielen – vor allem westdeutschen Ostseetouristen – kaum bekannt ist, begann bereits am Donnerstag vor dem eigentlichen Event am Sonnabend. Denn ein Berliner packt ja bekanntlich heute nicht seine Badehose ein, nimmt sein kleines Schwesterlein und fährt raus zum Wannsee, sondern packt neben der Badehose jede Menge anderen Kram ein. Zum Transport wird ein Kleinbus gemietet und eine Fahrt beginnt mit der Absicht, nicht nur tolle Ostseeluft zu schnuppern, sondern auch das eine oder andere Fischbrötchen vertilgen zu wollen – was man durchaus als Hauptantrieb bezeichnen kann, den Ausflug bereits am Donnerstag beginnen zu lassen.

Bereits auf der Fahrt an die Küste wurden erste Pläne geschmiedet, wie man am Donnerstagabend das Thema Fischbrötchen und das eine oder andere Bier zum Feierabend (oder Urlaubseinstieg) miteinander verbinden könne. Die Lösung war ganz einfach: unser erstes Ziel nach dem Bezug der Unterkunft war damit die Poeler Likörmanufaktur/Hafenräucherei am Hafen von Kirchdorf. Nach unseren eigenen Erfahrungen und den Empfehlungen einiger Poeler gibt es dort die besten Fischbrötchen auf der Insel und, wie der Name es schon sagt, jede Menge Liköre und andere alkoholische Getränke. Also wie gemacht für ein paar ausgehungerte Unioner mit einem Drang zum kühlen Gerstensaft.

Also reservierten wir kurzerhand via Telefon für uns genügend Plätze auf der kleinen Terrasse mit Blick auf den Hafen. Somit stand einem stimmungsvollen Abend nichts mehr im Wege. Selbst nicht die Aussage der Inhaberin kurz nach 19 Uhr schließen zu wollen, wir aber gerne noch auf der Terrasse sitzen bleiben könnten. Diesen Vorschlag nahmen wir dankend an. Den Leser wird es natürlich nicht überraschen, dass der Abend dann doch sehr lang war und sich das Aufwachen am kommenden Morgen nicht ganz so einfach darstellte.

Deshalb gehörte der Freitag der allgemeinen Regeneration und der Erholung, denn am Freitagabend stand bereits das nächste Highlight in der Liturgie der Rennvorbereitung auf den Plan: das Treffen mit unseren Freunden und Gastgebern vom Poeler SV, dem Drachenbootteam vom “Inselsturm”. Wie auch bereits im letzten Jahr trafen wir uns dazu im wunderschönen Biergarten vom Gasthaus „ZUR INSEL“ am Hafen in Kirchdorf, der an diesem Abend nur für uns geöffnet war.

Bereits im Vorfeld hatten wir mit der Inhaberin Sandra – nebenbei auch Crewmitglied beim Inselsturm – unsere Essenwünsche besprochen. Im Biergaren angekommen, erwartete uns eine Überraschung: ein Banner, dass uns als Team Grenzenlos EISERN herzlich willkommen hieß, was wir so in dieser Form natürlich nie erwartet hätten, aber was soll man machen bei Liebe auf den ersten Blick zwischen zwei Drachenbootteams. 😉 Somit konnten wir uns dann am Abend bei diversen alkoholischen Getränken und super leckeren Essen dem wichtigsten Punkt widmen: der Taktikbesprechung für das Rennen am morgigen Tag und dafür zu sorgen, dass mit unserer mitgebrachten „Berliner Luft“ dem Team vom Inselsturm am nächsten Morgen etwas früher die Puste ausgeht.

Unsere Taktik war schnell besprochen: rein ins Boot, Paddel schnappen und unter „wüsten Beschimpfungen“ des Steuermanns das Ziel möglichst als Erster zu erreichen. Für uns galt lediglich die Divise: unseren ruhmreichen 8. Platz aus dem Vorjahr mit aller Gewalt zu verteidigen. Der Abend endete wie vermutet: bei diversen Likören aus Poeler Produktion. Auf diesem Weg ein großes Dankeschön an Sandra und Katja, die uns wieder einen unvergesslichen Abend bereitet haben.

Solltet ihr mal durch Zufall oder durch Urlaubsplanung in Kirchdorf auf Poel landen, besucht unbedingt das Gasthaus „ZUR INSEL“ und genießt den schönen Biergarten mit Blick auf den Hafen. Mein ganz persönlicher Essenstipp: die Bratkartoffeln mit Sauerfleisch. Ohne zu übertreiben kann man sagen: der Hammer. Und wenn ihr Katja trefft (auf einen der unteren Fotos am Tresen zu sehen) dann begrüßt sie mit einem kräftigen EISERN und vielleicht trinkt sie dann mit euch den einen oder anderen Poeler Kräuterlikör.

Am Sonnabend, dem eigentlichen Renntag, waren wir bereits sehr früh auf den Beinen, um am Hafen unser Basislager für den Wettkampftag aufzuschlagen. Selbstverständlich verziert mit unserem Fanclubbanner und unserem Statement „Love Union – Hate Racism“. Bevor der Renntag so richtig losgehen konnte, gab es vom Inselpfarrer eine kurze Ansprache und eine Segnung aller Teams – die Teams mögen doch heil zurückkommen – sowie des benachbarten Bierstandes, an dem das wohlschmeckende Störtebecker-Bier ausgeschenkt wurde. Bei bestem Sonnenschein, göttlicher Segnung und sehr ruhiger See mussten wir bereits gleich zu Beginn die von uns nicht so geliebte 2000 Meter Strecke in Angriff nehmen. Da uns in diesem Jahr weder Sturm, Regen noch Wellen entgegenstanden, waren wir guter Hoffnung eine für uns tolle Bestleistung zu fahren.

Das Rennen begann im Hafen von Kirchdorf und mit einem zeitlichen Abstand von 30 Sekunden begaben wir uns zusammen mit den Flaying Turtles aus dem Hafen raus auf die See in Richtung Wismar. Gesteuert wurden wir von Lutz von der Seenotrettung. Seines Zeichens ein „alter“ Seebär, der bereits auf 50 Jahre Seefahrt zurückblicken kann. Wir waren also in besten Händen. Als Freizeit- und Spaßteam war es uns natürlich klar, dass wir von den beiden folgenden Booten eingeholt und überholt werden würden, konnten aber bis zur Wendeboje bei 1000 Meter einen klitzekleinen, drachenkopfgroßen Vorsprung halten.

Da wir als erstes Boot an der Boje ankamen steuerte uns unser Steuermann auf der Innenbahn zur Wende, um die restlichen 1000 Meter zurück in den Hafen zu nehmen. Mitten im Wendemanöver bekamen wir von hinten einen Stoß ans Boot, der uns damit raus aus der Ideallinie drückte. Eine Kollision mit Folgen, vor allem für uns. Denn durch die Kollision mussten wir einen größeren Wendekreis nehmen, erneut Takt und Geschwindigkeit aufnehmen, sodass wir zwar mit 11 Minuten und 48 Sekunden eine Bestzeit für uns fuhren aber dennoch eine durchaus für uns mögliche Zeit von unter 11 Minuten versagt blieb.

Im Hafen angekommen gingen unsere beiden Steuermännern in einen doch sehr heftigen Disput, der keine Lösung fand. Aufgrund unseres Protestes beim Kampfgericht wurde die Situation nochmals von beiden Seiten geschildert. Beide Steuermännern beharrten darauf vorne gelegen zu haben und damit mit dem Recht, die Innenbahn nehmen zu dürfen. Eine Klärung konnte zunächst nicht erfolgen, aber der Team-Kapitän des beteiligten Bootes räumte ein, dass ihre Wende nicht ganz glücklich gewählt war. Im Nachhinein gab uns die Seenotrettung Recht, dass wir einen kleinen Vorsprung und Anrecht auf die innere Wendebahn hatten.

Die anschließenden 200 Meter Rennen konnten wir mit 01:08 und 01:09 abschließen und auch im Spaßhighlight des Tages, dem Tauziehen, gelang es uns erfolgreich gegenzuhalten und nicht vorzeitig KO zu gehen. In der Summe aller Disziplinen konnten wir unseren 8. Platz erfolgreich verteidigen. Auf der abschließenden Siegerehrung die nächste Überraschung: vom Veranstalter, dem Poeler Inselsturm, wurden wir zudem mit dem Pokal „Sieger der Herzen“ ausgezeichnet. Den 3. Poeler Drachenbootcup gewann das Team von VKL Lucky Punch aus Lübeck gefolgt auf Platz 2 von den Gastgebern des Poeler Inselsturm.

Auf diesem Wege noch einmal ein großes Dankeschön für die Einladung, die liebevolle Betreuung und für ein großartiges Event stellvertretend an die Team-Kapitänin vom INSELSTRUM, Dörte Scheffelmeier sowie an Sandra Mirow. Ihr seid die Besten! Wir kommen im kommenden Jahr sehr gerne wieder! Dann heißt es wieder:

“Are you ready? – Attention! – Go!”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert