Bochum, stets eine Reise wert

Unter rein touristischen Gesichtspunkten, die sich an einer gewissen Sehenwürdigkeitsdichte orientieren, ist Bochum nicht so wirklich eine Reise wert. Das können das Schauspiel Bochum und schon gar nicht Starlight Express rausreißen. Mit der fußballkulturellen Brille betrachtet, sind Bochum und der VfL ganz bestimmt jede Reise wert. Kaum ein anderes Stadion der Bundesliga ist dichter an den Menschen dran als das *Piep-Ruhrstadion.

In meiner persönlichen Historie ist es der Ort, zu dem ich wohl am häufigsten zu Auswärtsspielen gefahren bin. Nicht geplant, es hat sich aus den Zwängen bezahlter Lohnarbeit heraus einfach ergeben. Ich musste lange warten, bis ich einen Sieg feiern konnte. Nämlich bis letztes Jahr. Viele Niederlagen und etliche Unentschieden lagen davor.

In unser aller Historie wird Bochum immer mit dem Mai 2019 verbunden sein. Ein retardierender Moment in der Geschichte, in dem wir uns alle immer noch befinden, mit dem kathartischen Höhepunkt am 27. Mai.

Trotz der Welle der Glückseligkeit, auf der wir ja alle reiten, gibt es auch den Alltag. Und der heißt Sonntagsspiele. Inwieweit dies unseren Auswärtsmob quantitativ beeinflusst, mag ich nicht beurteilen. Aber auch unser fanclubeigener Haufen war etwas kleiner. Wir reisten zweigeteilt an. Die Jünger des Anis’ fuhren schon am Freitag. So konnten sie den Sonnabend nutzen, um dem Anis am Ort der Genese angemessen zu loben und zu preisen.

Die Jünger der Luft mit einem häretischen Geist im Kreis reisten mit DEM Unionzug ICE 944 um sieben Uhr sechsundvierzig Richtung NRW. Wir sind eben ein “Scheißfrühaufsteherfanclub”. Aber eben dieses frühe Aufstehen, und an dieser Stelle ist Dank an Thomas angebracht, der mich aus einer chronologischen Verwirrung befreite, also dieses frühe Aufstehen erlaubte uns einen Gang ins Bermuda-Dreieck und den Verzehr eines reichhaltigen Mahles als kulinarische Vorbereitung auf das Spiel. Hinweise auf die vermeintlich beste Currywurst Bochums kamen zu spät und blieben deswegen unbeachtet.

Auf dem Weg zum Stadion, noch mal am Bahnhof vorbei, auch um Nachzügler einzusammeln und unser Schließfachmanagement zu verfeinern. Da noch reichlich Zeit und Grobi sowieso schon im Stadion ist, schalten wir in den Flaniermodus. In dieser Gangart geht es buntgemischt Richtung Castroper. 

Diese weitgehend gut funktionierende friedliche Koexistenz scheint bei der Polizei NRW anders bewertet zu werden. Natürlich ist es möglich, dass diese vielen BeamtInnen alle an diesem Sonntag im Oktober ihre angehäuften Fehlzeiten abarbeiteten. Wir feierten sehr die Einsatzfahrzeuge NRW 1311, NRW 1313 und vermissten doch sehr im Bunde den Dritten. 

Im Stadion hat Carsten wieder einen herausragenden Platz für unsere Zaunfahne gefunden.

Es gibt eine Réunion mit den Vorgereisten und nur ein Wellenbrecher konnt’ uns trennen.

Zum Spiel gibt es wenig zu sagen. Zum Einen bleibt Bochum für mich ein Hort der Charakterprüfung. Lest oben noch mal nach. Meine persönliche Statistik bleibt eine miserable. Zum Anderen war unsere Mannschaft bemüht, ein guter Gast zu sein. Der VfL bedankte sich mit einem rotwürdigen Foul, ging in Führung und blieb weiter unangenehm. Dies ist weniger schön anzuschauen, wenn die Spieler nicht Rot-Weiß tragen. Einzig unser Trainer hatte noch Funken von Hoffnung auf Besserung und wechselte aus, stellte um. Zack, das zweite Ding drin. Irgendwie schienen unsere Jungs noch mit dem Umstellen beschäftigt gewesen zu sein. Die Bochumer machten dann doch noch die Pralinenschachtel auf und siehe, ein Elfer war drin. Aber irgendwie schmeckte der uns auch nicht so recht. Milos holte dann kurz vor Schluß den Kulturbeutel heraus und betrieb Kosmetik am Ergebnis.

Wir haben nach 5 Spielen wieder mal verloren. Allein diesen Satz zu schreiben, ist in meinem Selbstverständnis so unwirklich wie die Tatsache, dass Union weiterhin Tabellenerster ist.

Nun ja, wir waren eben die Einzigen, die die Meisterschaft spannend halten konnten.

Auf dem Weg zum Brauhaus, dessen Name es nur offline gibt, die Castroper runter, gab es viele Schulterklopfer der Bochumer. Sie waren weniger schmerzhaft als jene im Mai 2019. Aber die vielen Wünsche, dass es super wäre, wenn wir es schaffen würden Meister zu werden, waren zahlreich. Wir antworten artig und rational, was von 40 Punkten, Momentaufnahme, Klassenerhalt und verweisen auf Freiburg, denen es wohl auch gegönnt würde. Es mag auch ein wenig Sympathie für Union und eine ordentliche Portion Fußballromantik, wo der Kleine den Großen eins auswischt, dabei mitschwingen, aber mehrheitlich drückt sich darin der Wunsch der breiten Masse an Fußballfanseelen aus, dass endlich mal eine andere Mannschaft Meister wird, außer den üblich Verdächtigen. Wobei die Unbeliebtheit des BVB hierbei sicher mehr regional gewachsen ist. Wir würden es der Hertha ja auch nicht gönnen.

Der Zug nach Haus ist nur fünf Minuten unpünktlich. Das wird alles aufgeholt und wir sind pünktlich wieder in der schönen Stadt. Wie sehr surreal unser derzeitiges Fansein ist, beweist die kleine Verabschiedungsszenerie. An jeden Abschiedsgruß wird ein “Bis Donnerstag!” gehängt.

Also – Bis Donnerstag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert